Das Große Spiel
Ziel zu erreichen, und jetzt stand er da in der Dachkammer eines abgelegenen Nonnenklosters und hatte eine steinharte Erektion. Etwas benommen stellte er den Becher ab. Für einen Moment überlegte er, ob das Getränk ihn erregt haben könnte. Aber das war ausgeschlossen.
Vielleicht lag es daran, dass er sich die letzten Monate nur noch seinen ehrgeizigen Finanzplänen gewidmet und seinen Körper vernachlässigt hatte.
»Monsieur?«, fragte die Nonne. »Ist Ihnen nicht gut?«
»Nein, nein«, wehrte John Law ab, »ganz im Gegenteil.«
»Wir schätzen Ihre Ehrlichkeit, Monsieur. Sie mögen ein Sünder sein, aber Sie sind ein ehrlicher Sünder. Gott liebt die ehrlichen Sünder.«
»Das trifft sich gut«, murmelte John Law und wandte sich dem Dachfenster zu. Vielleicht würde der Anblick von Eis und Schnee seine Not etwas lindern. Nachdem er mehrere Ursachen für seine absolut unpassende Erektion ausgeschlossen hatte, tendierte er nun doch dazu, dass jemand ihm etwas in den Becher gemischt hatte. Er drehte sich also um und ging ein paar Schritte auf die Nonne zu.
»Ich soll Sie auf Herz und Nieren prüfen«, flüsterte die Nonne. Sie saß auf einem breiten Sofa und hatte ihre Sutane hochgezogen. Darunter war sie nackt.
»Sie wollen mit der Kirche Geschäfte machen, Monsieur. Nur zu. Lassen Sie uns ein Geschäft machen«, amüsierte sich die Frau, »ich bin Claudine de Tencin, die Schwester von Abbe de Tencin, der Sie in wenigen Wochen in Melun in die römisch-katholische Kirche aufnehmen wird.«
John Law entkleidete sich hastig und warf sich vor Claudine de Tencin auf die Knie. Stürmisch und leidenschaftlich begann er ihren weißen Körper zu liebkosen. Das Getränk hatte ihn zum Tier gemacht. Für diese Claudine de Tencin hätte er in diesem Augenblick sein ganzes Imperium hergegeben.
Gemeinsam fuhren die beiden in John Laws Kutsche nach Paris zurück. Claudine de Tencin sah den Bankier amüsiert an. »Sie sind ein guter Katholik, Monsieur Law, ein wahrer Diener Gottes.«
»Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich schon früher zum Katholizismus übergetreten«, entgegnete John Law, »aber sagen Sie mir bitte, was haben Sie mir in den Trank gemischt?«
Claudine de Tencin lachte laut auf: »Die meisten Männer fragen mich, ob ich tatsächlich eine Nonne bin. Aber Sie, Monsieur Law, sind ein praktischer Mensch, Sie erkundigen sich nach dem heidnischen Keltenkraut.«
John Law erhob sich und setzte sich neben Claudine de Tencin. Er umfasste ihre Taille und küsste sie.
»Mein Bruder schlägt Mississippi-Aktien im Wert von zweihunderttausend Livre vor, Monsieur.«
»Und dann bin ich Katholik?«, flüsterte John Law.
»Ja«, antwortete Claudine. Sie schien großen Gefallen an diesem Schotten gefunden zu haben. »Aber Sie müssen regelmäßig zur Beichte kommen und für Ihre Sünden bezahlen.«
John Law hielt inne und setzte sich wieder auf die Bank gegenüber.
»Wem nehmen Sie sonst noch regelmäßig die Beichte ab?«, fragte John Law.
»Dem Regenten, er ist ja so schwach. Und d'Argenson, ein ganz großer Sünder.«
John Law war sprachlos. Er starrte die hübsche Claudine ungläubig an. Sie formte ihre wunderschönen Lippen zu einem Kussmund und lächelte so charmant, wie es nur die begnadetsten Mätressen und Kurtisanen der Hauptstadt beherrschten.
»Ich hielt die katholische Kirche stets für eine heuchlerische Angelegenheit, aber dass sie bereits so verludert und verkommen ist, hätte ich in meinen kühnsten Träumen...«
»... nicht zu hoffen gewagt?«, amüsierte sich Claudine. »Sehen Sie, Monsieur Law, mein Bruder vermutet, dass die neue Wissenschaft zur neuen Religion wird, die Gott vollends vom Olymp stoßen wird. Auch nach fast zweitausend Jahren hat noch kein Mensch einen echten Gottesbeweis erbracht. Sie hingegen, Monsieur, Sie setzen Theorien über das Geld und den Handel in die Welt und beweisen, dass es funktioniert. Sie machen Menschen zu Millionären, Regenten zu Milliardären, die bevölkerungsstärkste Nation Europas zur Billionärin.«
»Ich bin aufrichtig schockiert, Madame, ich habe es genossen, aber ich bin schockiert«, entgegnete John Law.
»Sehen Sie, Monsieur, auch der Katholizismus, zu dem Sie demnächst übertreten werden, war eine wunderbare Idee. Aber die Untertanen auf Erden haben versagt und Spinoza bestätigt, wonach der Nutzen das Mark und der Nerv aller menschlichen Handlungen ist.«
»Hören Sie auf, Madame«, sagte John Law, »ich habe zu wenig Wein in meinem
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