Das große Zeitabenteuer
und legte eine Hand auf Lafayettes Arm. »Ich danke Ihnen, daß Sie so edelmütig gewesen sind. Das wird dem Grafen eine Lehre sein, hoffe ich.«
Plötzlich ertönte aus einer Ecke ein lauter Schrei, dann war eine erregte Frauenstimme zu hören. Lafayettes Bewunderer ließen daraufhin von ihm ab und wandten sich dieser neuen Attraktion zu.
»Oh, Lafayette, ich muß sehen, weshalb die Herzogin so keift wie ein Fischweib, das sich betrogen glaubt!« Adoranne zog O'Leary hinter sich her; Nicodaeus ging voraus und bahnte ihr den Weg.
»Es ist eine Kammerjungfer«, sagte jemand laut. »Das unverschämte Ding hat sich unter die Gäste gemischt – und noch dazu in einem gestohlenen Kleid!«
O'Leary erschrak, als ihm plötzlich einfiel, daß er Daphne eingeladen hatte. Die zierliche Kammerjungfer in dem türkischen Ballkleid mit weißen Handschuhen, silbernen Pumps und einer Perlenkette stand trotzig vor einer knochigen Matrone, deren schweres Brokatkleid wie eine Rüstung wirkte. Die Herzogin kreischte noch immer:
»… Mädchen, und ich werde dafür sorgen, daß du zuerst ausgepeitscht und dann ins Arbeitshaus geschickt wirst, wo du…«
»Verzeihung, Herzogin.« O'Leary trat vor, lächelte zu Daphne hinüber und wandte sich an die entrüstete Matrone. »Hier scheint ein Mißverständnis vorzuliegen. Diese junge Dame…«
»Dame! Sie ist nur eine Kammerjungfer! Und dieses Gesindel erscheint hier … in meinem Kleid! Die Näherin hat es erst heute abgeliefert.«
»Das muß ein Irrtum sein«, versicherte O'Leary ihr. »Ich habe sie zum Ball eingeladen und ihr auch das Kleid geschenkt.«
Adoranne fuhr zusammen und lächelte dann mühsam, als Lafayette sich nach ihr umdrehte. »Ein weiterer Streich unseres guten Sir Lafayette«, sagte sie. »Beruhigen Sie sich, Veronica, das Mädchen bekommt seine Strafe.«
»Nein, es ist wirklich ein Irrtum«, protestierte Lafayette. »Ich habe ihr das Kleid heute abend gegeben.«
»Bitte, edler Herr«, warf Daphne ein. »Ich… ich danke Ihnen, daß Sie einem armen Dienstmädchen helfen wollen, aber ich habe das Kleid gestohlen, wie Mylady gesagt hat.«
»Nein!« rief O'Leary. »Seid ihr alle übergeschnappt? Ich sage euch…«
Die Herzogin deutete auf die Stickerei am Oberteil des Kleides. »Ist das etwa nicht das Wappen des Hauses High Jersey?« fragte sie triumphierend.
»Sie hat natürlich recht«, murmelte Nicodaeus neben Lafayette. »Was soll der Unsinn mit dem geschenkten Kleid?«
»Ich … Ich…« O'Leary starrte Daphne an, die mit gesenktem Kopf vor der Herzogin stand. Offenbar war es doch nicht so einfach, nach Belieben Gegenstände herbeizuwünschen. Als er an ein Bad gedacht hatte, war der Zuber mitsamt dem Mädchen erschienen. Und als er sich Kleider gewünscht hatte, waren sie keineswegs aus dem Nichts aufgetaucht; er hatte nur die nächsten, die seinen Vorstellungen entsprachen, in sein Zimmer geholt – aus dem Kleiderschrank der Herzogin.
»Ich bezahle das Kleid«, sagte er hastig. »Sie kann nichts dafür. Sie wußte nicht, daß es gestohlen war… dabei habe ich es gar nicht gestohlen, jedenfalls nicht wirklich. Ich habe sie eingeladen, und sie hatte nichts anzuziehen …«.
O'Leary sprach nicht weiter. Das Interesse der Zuhörer hatte sichtlich abgenommen. Adoranne hob stolz den Kopf, wandte sich ab und rauschte davon. Die Herzogin betrachtete ihn eisig.
»Adoranne, warten Sie doch! Ich kann alles erklären…« Er sah Tränen in Daphnes Augen.
»Kommen Sie, Lafayette.« Nicodaeus zog ihn am Ärmel. »Der Witz hat nicht eingeschlagen; diese Leute halten sich streng ans Protokoll.«
»Daphne«, sagte O'Leary, »es tut mir leid …« Das Mädchen hob den Kopf und sah an ihm vorbei. »Ich kenne Sie nicht, Sir«, sagte es und wandte sich ab.
»Der Teufel soll alles holen!« O'Leary breitete hilflos die Arme aus. »Wenn ich nur nie an das dämliche Kleid gedacht hätte!«
Die Herzogin kreischte erschrocken, Daphne quietschte entsetzt, die männlichen Zuschauer waren begeistert. Lafayette hielt den Atem an, als Daphne, die jetzt nur noch ihre silbernen Schuhe und einige mit Rüschen besetzte Kleinigkeiten trug, in der Menge untertauchte.
»Gut gemacht, alter Knabe!« Ein untersetzter Mann in dunkelrotem Samt schlug O'Leary auf die Schulter. »Mit Spiegeln, nicht wahr?«
»Ah, Sir Lafayette, Sie sind ein schlauer Fuchs!« polterte sein Nachbar. Die Herzogin warf ihm einen wütenden Blick zu und stolzierte davon.
»Wo ist Adoranne?« Lafayette stellte
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