Das gruene Gewissen
Gesundheitsprogramme durchführt, wobei der Fokus nach eigenen Angaben auf Frauen und Kindern liegt. Die Kampagne arbeitet mit der unvorstellbaren Zahl von 200000 Müttern, die jährlich allein in Ostafrika mangels medizinischer Versorgung sterben –und mit 1,5 Millionen Kindern, die ohne Mutter zurückbleiben. „1 Hebamme kann jährlich 500 Mütter versorgen!“
Wenn man in Rechnung stellt, dass nicht nur die Zahl der außerklinischen Geburten und der Abbrüche selbiger in Deutschland zugenommen hat, sondern auch deutliche Anstiege der Pränataldiagnostik, der freiwilligen Kaiserschnitte, aber auch der plastischen Chirurgie zu verzeichnen sind, erkennt man, dass vor allem die Extreme zugenommen haben: technisch vermittelte Sicherheit und vermeintliche Natürlichkeit. So hat sich die Zahl der Kaiserschnitte in Deutschland seit 1991 nahezu verdoppelt auf über 200000, das ist fast ein Drittel aller Geburten in Deutschland.
In beiden Fällen geht es um Kontrolle, die Verweigerung gegenüber einer Fremdbestimmung – sei es durch einen Arzt oder den eigenen Körper, der Todesschmerzen verursacht und entstellt zu werden droht. Der Glaube an die Entscheidungen und die Berechtigung professioneller Instanzen wird – als Reaktion auf die frühere Machtlosigkeit im Behandlungszimmer – immer häufiger in Zweifel gezogen, das eigene Fühlen zur Leitschnur gemacht.
Deutschland ist bei dieser Entwicklung kein Vorreiter, wenn man sich entsprechende Entwicklungen in anderen westlichen Ländern wie den USA und Australien, neuerdings aber auch in aufstrebenden Volkswirtschaften wie Russland ansieht, wo man die Schönheit nicht dem Zufall der Natur überlassen will. Die Planung und Optimierung der Natur werden am eigenen Körper mit rücksichtsloser Härte vollzogen. Sie stehen in krassem Widerspruch zum allseits akzeptierten Wunsch nach Natürlichkeit, wenn es um das Thema Ernährung geht.
Ehingen/Donau – oder: Biomärkte und der Glaube an die Nahrung von hier
Beim Fliegen über Deutschland: Der Blick auf die Landschaft verdeutlicht mehr als die Bewegung am Boden die vollkommene Erschließung aller Flächen. Es gibt keinerlei weiße Flecken im Sinne von Wildnis mehr, keine Autonomie von Natur. Selbst die Gebirgszüge und Wälder schmiegen sich an Quadrate und andere geometrische Formen, die sich wie ein Flickenteppich unter den Tragflächen ausbreiten. Dazwischen begradigte Flüsse und Kanäle, hin und wieder ein See. Und Flächen, die blauviolett sind, Solarparks in Hektargröße. Ich blättere durch ein Magazin: Dort sehe ich eine Karte mit Erdgasleitungen und Terminals, die sich wie ein Kapillarsystem durch ganz Europa ziehen und es vernetzen. Und Flugrouten, die mit Nadelpunkten beginnen. Dann setzten wir zur Landung an. Stuttgart Flughafen.
Auf der Fahrt sieht man Wiesen und grünende Maisfelder, die jetzt im Juli, wo der Klatschmohn und die Kornblumen in voller Blüte stehen, durch rote und blaue Punkte verziert werden. Hier und da ist eine Holzmiete zu erkennen, die Bauern am Fuße der Hänge zusammengestellt haben. Es gibt nur wenig Verkehr. Zweimal überhole ich einen alten Traktor mit Hänger, lese im Vorbeifahren die rostigen Markenschilder „Fahr“ oder „Deutz“ und erinnere mich an die riesigen Mähdrescher von „John Deere“ oder„Fendt“ daheim in Mecklenburg und Brandenburg. Über den frisch gemähten Wiesen stehen Falken und eine Rohrweihe in der Luft und spähen nach Nahrung. Der Mensch hilft der Natur beim Überleben, denke ich. Darüber der Himmel, der heute voll ist von Schäfchenwolken. Es ist eine Landschaft wie aus einem Reisekatalog, den man irgendwo in einem Antiquariat gefunden hat, schön und unschuldig.
Wenn man nicht über die Autobahn kommt, sondern die Landstraße von Kirchheim her nimmt, passiert man die Bassgeige und durchfährt die malerische Landschaft der Schwäbischen Alb. Seit einigen Jahren ist sie ein Biosphärenreservat, also eine Modellregion, die den Einklang von Mensch und Natur eingedenk der wirtschaftlichen Nutzung erprobt und nicht von dem Gedanken der Nationalparks ausgeht, dass der Mensch komplett ferngehalten werden müsse. Es ist ein Konzept, das gut auf die Mentalität der Menschen hier abgestimmt zu sein scheint. 86 Die Orte heißen Lenningen, Donnstetten oder Blaubeuren, man sieht neben Gasthäusern und kleinen Metzgereien, an denen sich die enge Straße entlangwindet, auch die Zeugnisse einer alten Industriekultur, die diese Region einst wohlhabend gemacht
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