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Das gruene Gewissen

Das gruene Gewissen

Titel: Das gruene Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Moeller
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wie ich es mir vorstellte“, sagt er.
    Nachdem die Tiere getötet und zerlegt waren, kam das Fleisch in die Metzgerei, wo man Wurst, Schinken, Braten und anderes daraus machte, das entweder frisch in der Ladentheke landete oder in Konserven mit dem schlichten Etikett „Metzgerei Paul Götz, Hauptstraße 99, 7930 Ehingen/Donau“ abgefüllt wurde. Er könne am Fleisch ablesen, ob es den Tieren gut ging oder ob sie nur eine Nummer waren, sagt Götz. „Unsere Kunden wussten das.“ Deswegen sieht er das Entstehen der Discounter anders als manche Kollegen mit Gelassenheit. Natürlich sei es zu spüren gewesen, als die Supermärkte günstige Angebote hatten. Aber das sei nie von Dauer gewesen, sondern habe eben eine Schnäppchenmentalität befördert, ein Strohfeuer, mehr nicht. Die meisten Kunden kamen irgendwann wieder zurück.
    Der Metzger hat eine eigene Erklärung dafür, warum sich der Wunsch nach „Bio“ in den vergangen Jahren so stark durchsetzen konnte in Deutschland. Sie hat weniger mit der gestiegenen Verantwortung für die Natur zu tun und mehr mit der Struktur des deutschen Einzelhandels, der Lücken für ein bestimmtes, früher selbstverständliches Sortiment hochwertiger regionaler Produkte geschaffen hat. Der Zusammenbruch des einstigen Mittelstands mit seinen kleinen, aber wirtschaftlich tragfähigen Strukturen sowie die Internationalisierung der Arbeitsprozesse und Warenströme haben den Glauben an „Bio“ nach seiner Auffassung groß gemacht. Denn Biomärkte, wie sie heute vor allem in Großstädtenzum Erscheinungsbild gehören, sind eine Antwort auf die Discounter – oft mit den Mitteln der Discounter. Deshalb gibt es sie besonders oft dort, wo entsprechende kleinteilige Strukturen nicht mehr oder traditionell nicht in der Dichte existieren wie hier in Süddeutschland.
    Götz’ Sohn, der in München lebt, gesellt sich zum Gespräch hinzu. Er sagt: „Ich gehöre in diese Generation, der etwas weggebrochen ist und die nun nach Alternativen sucht. Aber ich habe nie wieder dasselbe Vertrauen aufbauen können. Ich kaufe Bio, aber ich habe das Gefühl, dass es nur um Marketing geht. Es zieht mich an und turnt mich zugleich ab.“
    Paul Götz hat ein Siegel wie „Bio“ nie verwendet. Allein deshalb, weil er ein Problem mit Zertifizierungen hat, die er im Grunde schon immer übererfüllte. Wäre ein solches Etikett plötzlich aufgetaucht, hätte es dem Betrieb womöglich eher geschadet, meint er. Denn es hätte bei seinen langjährigen Stammkunden Misstrauen erzeugt, ein bis dato nicht verwendetes Siegel für nötig zu halten, das noch dazu auf immer mehr Lebensmitteln auch in den Supermärkten auftauchte.
Eintritt in den Bio-Kosmos
    Seitdem der Journalist Henning Sußebach für einen ZEIT -Beitrag im Jahr 2007 den Begriff des „Bionade-Biedermeier“ prägte, ist es nicht unüblich, über Viertel wie den Prenzlauer Berg und seine Einwohner zu witzeln.
    Man glaube anders zu sein, cooler, offener, unabhängiger, lautete Sußebachs Fazit, lebe aber in Wahrheit genauso spießig wie die eigenen Eltern, die häufig nicht aus Großstädten kämen. Der Öko-Philister habe einen anderen Lifestyle, könne und wolle sich das Gute leisten, die Intoleranz und das Sendungsbewusstsein der Ordnungsfanatiker und Gartenzwergbesitzer seien jedoch geblieben.
    Tatsächlich geht der Begriff des Biedermeier an einer Stelle nicht fehl, da er wie im 19. Jahrhundert vor allem auf das Refugium der liebevoll eingerichteten eigenen vier Wände, der familiären Umgebung setzt. Der Wunsch nach hochwertigen Produkten treibt dabei bisweilen groteske Blüten. Seit langem ist in bestimmten Vierteln auch anderer deutscher Städte ein Lebensstil en vogue, der mit Schlagworten wie Regionalität und unzähligen „Bio“- und „Öko“-Komposita operiert. Aus dem Lebensgefühl von wenigen Ökoaktivisten ist ein millionenschwerer Markt geworden, der mittlerweile genauso global organisiert ist wie die Automobilindustrie und gegen den sich Energieversorger, die ihre Produkte Strom und Wärme nicht exportieren können, wie Gralshüter des Traums der Regionalität ausnehmen.
    Nicht anders als der sanierten Fassaden am Kollwitzplatz hat sich das Geld der guten Ideen bemächtigt und sie zur Marke gemacht. Im Manufactum- und Bionade-Kosmos leben freilich nur wenige. Aber ein gewisses Maß an Bereitschaft, wieder über Werthaltigkeit nachzudenken, halten viele Menschen für zeitgemäß. Und das wollen sie dann auch zeigen.
    Betrachtet man

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