Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Zustand befand er sich, als ein Junge in die Chichería kam: »Das Grüne Haus, Don Anselmo! Sie brennen es Ihnen nieder! Die von der Gallinacera und Padre García, Don Anselmo!«
Auf dem Malecón traten ihm einige Männer und Frauen in den Weg, »du hast die Antonia geraubt, du hast sie umgebracht«, und sie zerrissen ihm die Kleider und warfen Steine nach ihm, als er floh. Erst auf der Alten Brücke fing er an zu schreien, zu flehen, und die Leute, das sind Geschichten, Angst hat er, daß man ihn lyncht, aber er protestierte stürmisch weiter, und die verschreckten Insassinnen mit dem Kopf, ja, es war wahr, am Ende war es noch drin. Er hatte sich in den Sand gekniet, beschwor, rief den Himmel zum Zeugen, und da bemächtigte sich eine Art Unruhe der Leute, die Guardias und die Stadtpolizisten befragten die aus der Gallinacera, einander widersprechende Stimmen wurden laut, und wenn’s wahr war? sie sollten doch nachsehen, sollten doch machen, sollten den Doktor Zevallos rufen. In mit Wasser getränkte Säcke gehüllt, drangen ein paar Mangaches in den Rauch und tauchten einige Augenblicke später erstickt, erfolglos wieder auf, es ging nicht, das war die Hölle da drinnen. Männer, Frauen: alle quälten Padre García, und wenn’s wahr war? Padre,Padre, Gott würde ihn strafen. Er blickte in Gedanken versunken erst die einen, dann die andern an, Don Anselmo wand sich zwischen den Guardias, sie sollten ihm einen Sack geben, er würde hineingehen, sie sollten sich erbarmen. Und als Angélica Mercedes erschien und alle sich überzeugen konnten, daß es wahr war, daß es da war, unversehrt, in den Armen der Köchin, und sahen, wie Don Anselmo erleichtert aufatmete, dem Himmel dankte und Angélica Mercedes die Hände küßte, wurden viele Frauen gerührt. Laut bemitleideten sie das Geschöpf, trösteten Don Anselmo oder wandten sich wütend gegen Padre García und machten ihm Vorwürfe. Bestürzt, erleichtert, bewegt umringte die Menge Don Anselmo, und niemand, nicht die Insassinnen, nicht die aus der Gallinacera, nicht die Mangaches, blickte mehr auf das Grüne Haus, auf den Scheiterhaufen, zu dem es zerfiel und den jetzt der pünktliche Sandregen zu löschen begann, der Wüste zurückgab, wo es, vorübergehend, existiert hatte.
Die Unbezwingbaren traten wie immer ein: die Tür mit einem Fußtritt öffnend und unter Absingen der Hymne: sie waren die Unbezwingbaren, vom Arbeiten keine Ahnung, immer nur saufen, immer nur spielen, sie waren die Unbezwingbaren, und jetzt ging’s ans Vögeln.
»Ich kann dir nur erzählen, was man an dem Abend gehört hat, Mädchen«, sagte der Arpista. »Wirst ja bemerkthaben, daß ich kaum mehr seh. Deswegen hat mich die Polizei in Ruhe gelassen, ich bin ungerupft davongekommen.«
»Die Milch ist schon heiß«, sagte die Chunga von der Theke her. »Hilf mir, Selvática.«
Die Selvática erhob sich vom Tisch der Musikanten, ging zur Bar, und sie und die Chunga brachten eine Kanne Milch, Brot, Kaffeepulver und Zucker. Die Lichter des Salons waren noch an, aber durch die Fenster trat heiß, hell schon der Tag herein.
»Das Mädchen weiß nicht, wie’s war, Chunga«, sagte der Arpista, der mit kleinen Schlückchen seine Milch schlürfte. »Josefino hat’s ihr nicht erzählt.«
»Wenn ich ihn frag, wechselt er das Thema«, sagte die Selvática. »Warum interessiert dich das so, sagt er, hör auf damit, sonst werd ich eifersüchtig.«
»Außer schamlos auch noch heuchlerisch und zynisch«, sagte die Chunga.
»Es waren nur zwei Kunden da, wie sie reingekommen sind«, sagte der Bulle. »An dem Tisch da. Und einer davon war Seminario.«
Die Leóns und Josefino hatten sich an der Bar eingerichtet und schrien und prosteten sich zu, recht übermütig: »Wir lieben dich, Chunga chunguita, du bist unsere Königin, unsere Mamita, Chunga chunguita.«
»Hört auf mit dem Mist und verzehrt, oder haut ab«, sagte die Chunga. Sie wandte sich der Kapelle zu: »Warum spielt ihr nicht?«
»Wir konnten nicht«, sagte der Bulle. »Die Unbezwingbaren haben einen wüsten Krach gemacht. Man hat gemerkt, daß sie guter Laune waren.«
»Das war, weil sie an dem Abend in Geld geschwommen sind«, sagte die Chunga.
»Schau, schau«, der Affe zeigte ihr einen Fächer Zehn-Sol-Scheine und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Was meinst du, wie viele sind’s?«
»Wie geldgierig du bist, Chunga, dir treibt’s ja die Augen raus«, sagte Josefino.
»Wahrscheinlich gestohlen«, entgegnete die Chunga.
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