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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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als die Weiber die Alte Brücke betraten, knarrte das bejahrte Skelett, schwankte wie betrunken, und als sie die ›Rio Bar‹ hinter sich ließen und Castilla betraten, hielten viele von ihnen bereits Fackeln in der Hand, rannten, und aus den Chicherías quollen die Kunden hervor, das Gebrüll wurde stärker, die Fackeln mehr. Sie erreichten die Sandfläche, und eine Staubwolke bäumte sich auf, ein gigantischer, schwereloser Kreisel, vergoldet, und im Herzen der Spirale blitzten Frauengesichter, Fäuste, Flammen auf.
    Geduckt unter dem wie ein Gletscher blendenden Mittagsglast, die Türen und Fenster verrammelt, sah das Grüne Haus aus wie ein verlassener Landsitz. Die pflanzenfarbenen Mauern glitzerten sanft im Sonnenlicht, zerrannen an den Ecken in einer Art Schüchternheit, und wie bei einem verwundeten Reh hatte die Stille des Etablissements etwas Schutzloses, etwas Gefügiges, Verängstigtes angesichts der Menge, die heranzog. Padre García und die Weiber gelangten an die Türen, das Geschrei verstummte, und plötzlich erstarrte alles. Doch dann vernahm man ein Zetern, und gleich Ameisen, die aus ihren Labyrinthen flüchten, wenn der Fluß sie überschwemmt, tauchten geschminkt, dürftig bekleidet, einander stoßend und jaulend die Insassinnen auf, und die Stimme Padre Garcías erhob sich, donnerte über dem Meer, und aus den Wogen und Stürzen schossen unzählige Fangarmehervor, haschten nach den Insassinnen, warfen sie zu Boden und schlugen auf sie ein. Und dann überschwemmten Padre García und die Weiber das Grüne Haus, füllten es in wenigen Sekunden zum Bersten, und aus dem Innern drang ein Getöse der Zerstörung: Gläser, Flaschen zerschellten, Tische zersplitterten, Bettücher zerfetzten, Vorhänge. Vom ersten Stockwerk, vom zweiten und vom Turm prasselte ein gründlicher häuslicher Platzregen. Durch die glühende Luft flogen Blumentöpfe, Nachttöpfe, angeschlagene Waschbecken und Schüsseln, Teller, aufgeschlitzte Matratzen, Kosmetika, und eine Salve von Hurras begrüßte jedes Geschoß, das eine Parabel beschrieb und im Sand steckenblieb. Schon stritten sich viele Neugierige, darunter auch Frauen, um die Gegenstände und Kleidungsstücke, und es kam zu Rempeleien, Disputen, hitzigen Auseinandersetzungen. Inmitten des Chaos, bös zugerichtet, mit versagender Stimme, noch zitternd, rappelten sich die Insassinnen auf, sanken einander in die Arme, schluchzten und sprachen sich Trost zu. Das Grüne Haus brannte: purpurn, spitz, zuckend sah man im aschgrauen Rauch die Flammen in trägen Wirbeln zum Himmel über Piura auflodern. Die Menge begann zurückzuweichen, die Schreie wurden weniger; durch die Türen des Grünen Hauses verließen die Eindringlinge und Padre García Hals über Kopf das Lokal, hustend, die Augen tränend vom Rauch.
    Vom Geländer der Alten Brücke, vom Malecón,von den Türmen der Kirchen, den Dächern und Balkonen aus sahen Menschentrauben dem Feuer zu: eine Hydra mit hochroten und blaßblauen Köpfen unter einem schwärzlichen Dach. Erst als der schlanke Turm zusammensackte und schon eine ganze Weile, von einer sanften Brise hergeweht, blühende Brocken, Späne und Ascheflocken auf den Fluß niedergegangen waren, erschienen die Guardias und Stadtpolizisten. Machtlos und säumig mischten sie sich unter die Frauen, verwirrt und fasziniert wie alle übrigen vom Spektakel des Feuers. Und mit einemmal stieß man sich an, geriet in Bewegung, Frauen und Bettler tuschelten, sagten »jetzt kommt er, dort kommt er«.
    Er kam über die Alte Brücke: die Frauen aus der Gallinacera und die Neugierigen drehten sich um und starrten ihn an, machten ihm Platz, niemand hielt ihn zurück, und er schritt dahin, steif, die Haare zerzaust, das Gesicht schmutzig, die Augen unglaublich entsetzt, mit bebendem Mund. Man hatte ihn am Vorabend noch gesehen, in einem Chicha-Ausschank der Mangachería hatte er getrunken, wo er bei Einbruch der Dunkelheit aufgetaucht war, die Arpa unterm Arm, weinerlich und fahl. Und dort hatte er die Nacht verbracht, trällernd und mit Schluckauf. Die Mangaches hatten ihn umringt: »Wie ist’s wirklich gewesen, Don Anselmo? was ist geschehen? stimmt’s, daß Sie mit der Antonia zusammengelebt haben? daß Sie sie im Grünen Haus hatten? stimmt’s, daß sie gestorbenist?« Er hatte geseufzt, geklagt und schließlich betrunken am Boden gelegen. Er war eingeschlafen und verlangte beim Aufwachen wieder etwas zu trinken, trank weiter, zupfte die Saiten der Arpa, und in diesem

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