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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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»Warum erzählen Sie uns nicht davon, Arpista? Nach so langer Zeit kann’s Ihnen doch nichts mehr ausmachen.«
    »Es hat nie ein Feuer gegeben, kein Grünes Haus«, behauptete der Arpista. »Erfindung der Leute, Jungens.«
    »Warum halten Sie uns zum Narren?« sagte der Affe. »Nur Mut, Arpista, erzählen Sie uns wenigstens ein bißchen davon.«
    Don Anselmo legte zwei Finger an den Mund und tat, als rauchte er. Der Jüngling reichte ihm eine Zigarette, und der Bulle gab ihm Feuer. Die Chunga hatte die Lichter des Saals ausgemacht, und die Sonne flutete in Strömen durch die Fenster und die Ritzen in das Lokal. Auf dem Boden und an den Wänden entstanden gelbe Narben, das Wellblechdach strahlte Hitze aus. Die Unbezwingbaren gaben nicht nach, stimmte es, daß dabei einige Insassinnen verbrutzelt sind? waren es wirklich die Weiber aus der Gallinacera, die es angesteckt hatten? war er drinnen gewesen? hatte Padre García das aus reiner Bösartigkeit getan oder wegen der Religion und so? war’s wahr, daß Doña Angélica die Chunga davor gerettet hatte, im Feuer zu sterben?
    »Nichts als Fabeln«, versicherte der Arpista. »Dummes Gerede der Leute, um Padre García in Wut zu bringen. Sollten ihn in Ruhe lassen, den armen Alten. Und jetzt muß ich arbeiten, Jungens, entschuldigt.«
    Er stand auf und ging mit kurzen Schrittchen, dieHände vor sich hin haltend, zurück in die Ecke, wo die Kapelle ihren Platz hatte.
    »Seht ihr? Stellt sich blöd, wie immer«, sagte Josefino, »Ich hab ja gewußt, daß es umsonst ist.«
    »In dem Alter wird das Gehirn weich«, sagte der Affe, »wer weiß, am Ende hat er alles vergessen. Den Padre García müßte man fragen. Aber wer traut sich.«
    Und da ging die Tür auf, und die Streife kam herein.
    »Diese Schmarotzer«, murmelte die Chunga. »Wollten bei mir einen Drink abstoßen.«
    »Die Streife, das heißt Lituma und noch zwei von der Polente, Selvática«, sagte der Bulle. »Die sind jede Nacht hier aufgetaucht.«

II
    Unter dem runden Schatten der Platanen richtete Bonifacia sich auf und blickte zum Dorf hinüber: Männer und Frauen stürzten über die Plaza von Santa María de Nieva, fuchtelten höchst aufgeregt mit den Händen und deuteten in Richtung Anlegeplatz. Sie duckte sich wieder über die geradlinigen Furchen, aber gleich danach richtete sie sich schon wieder auf: die Leute strömten unaufhörlich herbei, in größter Erwartung. Sie spähte nach der Cabaña der Nieves; Lalita trällerte nach wie vor im Innern, Rauch schlängelte sich grau durch das Zuckerrohrgeflecht der Außenwand, noch tauchte das Boot des Lotsen nicht am Horizont auf. Bonifacia schlich um die Cabaña, drang in das Röhricht des Ufers vor und watete bis zu den Fußknöcheln im Wasser aufs Dorf zu. Die Wipfel der Bäume verschwanden in den Wolken, die Stämme in den ockerfarbenen Zungen des Strandes. Das Hochwasser hatte begonnen, der Fluß spülte schmarotzende Strömungen mit sich, Wasser, das heller oder dunkler war, auch Büsche, abgerissene Blumen, Flechten und Gebilde, die Lehmbrocken, Kot oder tote Nagetiere sein mochten. Langsam, behutsam wie ein Fährtensucher sah sie sich um, huschte über ein Binsenfeld und erblickte, als sie um eineEcke bog, den Anlegeplatz: die Leute standen reglos zwischen den Pfählen und den Kanus, und einige Meter vom Molenponton entfernt hatte ein Floß festgemacht. Die Dämmerung färbte die Itípaks und die Gesichter der Aguarunafrauen blau, auch Männer waren da, die Hosen bis zu den Knien hochgekrempelt, die Oberkörper nackt. Sie konnte das Seil sehen, das schlaff wurde oder sich spannte, je nach dem Hin und Her des eben angekommenen Floßes, den Rammpfahl am Bug und, ganz deutlich, den Aufbau am Heck. Ein Schwarm Reiher flog über die Binsen, und Bonifacia vernahm, ganz nahe, das Schlagen der Flügel, blickte hoch und sah die zarten weißen Hälse, die rosigen Leiber sich entfernen. Dann drang sie weiter vor, aber tief geduckt und nicht mehr am Strand entlang, sondern verborgen im Dickicht der Böschung, riß sich die Arme, das Gesicht und die Beine auf an den Blatträndern, den Dornen und den fasrigen Lianen, inmitten des Gesummes, spürte die klebrigen Liebkosungen an den Füßen. Wo das Binsengestrüpp schon fast endete, nicht weit von den dicht gedrängt stehenden Leuten, machte sie halt und hockte sich hin: die Vegetation schlug über ihr zusammen, und jetzt konnte sie ihn durch eine komplizierte grüne Geometrie aus Rhomben, Kuben und unwahrscheinlichen

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