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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Fleischstückchen kleinzuschneiden, und kaut eifrig. Aber mit einemmal hält er inne, hatten alle es erfahren? und sein Mund steht offen: die Sünder und Sünderinnen, die da waren?
    »Die Frauen haben über die Liebschaft natürlich von Anfang an Bescheid gewußt, logisch«, murmelt Doktor Zevallos und fährt mit dem Finger über den Rand der Schale, »aber sonst niemand, glaub ich. Da war nur eine kleine Treppe, die zu dem hinteren Patioführte, und über die sind wir zum Turm hinaufgeklettert, die vorne im Salon haben uns nicht gesehen. Von unten ist ein fürchterlicher Krach heraufgedrungen, Anselmo muß die Frauen angewiesen haben, sie sollten die Leute ablenken, damit sie nicht merkten, was los war.«
    »Sie müssen sich da ja gut ausgekannt haben.« Padre García kaut wieder. »Waren wohl nicht zum erstenmal dort, oder?«
    »Bin Dutzende von Malen dagewesen«, sagt Doktor Zevallos, und in seinen Augen blitzt es flüchtig auf. »Ich war damals dreißig Jahre alt. Die allerbesten Jahre, mein Freund.«
    »Schweinereien, Dummheiten«, knurrt Padre García, aber seine Hand mit der Gabel sinkt vom Mund. »Dreißig Jahre? So alt werd ich damals auch gewesen sein, ungefähr.«
    »Klar, wo wir doch derselben Generation angehören«, sagt Doktor Zevallos. »Anselmo auch, war allerdings ein bißchen älter als wir.«
    »Von damals sind nicht mehr viele übrig«, sagt Padre García mit heiserem Lachen. »Wir haben sie alle begraben.«
    Aber Doktor Zevallos hört ihm nicht zu. Er spitzt die Lippen, blinzelt, bewegt die Schale, bis ein paar Tropfen auf den Tisch spritzen, Gott, wie hätte er auch darauf kommen sollen, nicht einmal wie er das Bündel im Bett liegen sah, hat er daran gedacht, wer hätte das aber auch ahnen können.
    »Brummeln Sie nicht so vor sich hin«, murmelt Padre García, »vergessen Sie nicht, ich bin auch noch da. Wer hätte was ahnen können?«
    »Daß seine Frau dieses kleine Mädchen war«, sagt Doktor Zevallos. »Beim Hereinkommen hab ich am Kopfende eine dicke Rothaarige gesehen, die, die sie Glühwürmchen genannt haben, und krank ist sie mir nicht vorgekommen, ich wollte schon einen Witz reißen, und da hab ich das Bündel gesehen und das Blut. Sie können sich’s nicht vorstellen, mein Freund, auf den Bettüchern, auf dem Boden – das ganze Zimmer ein einziger Blutfleck.«
    Der Padre zerkleinert die Fleischstückchen nicht mehr, er zerrt sie wild auseinander, jagt die Gabel hindurch, quetscht sie gegen den Boden der Schlüssel. Der triefende Fleischbrocken kommt nicht bis zu seinem Mund, das kleine Ding war am Verbluten? zittert in der Luft, genau wie seine Hand und die Gabel, überall Blut? und eine plötzliche Heiserkeit würgt ihn, das Blut von dem Mädchen? Ein kleiner heller Speichelfaden rinnt zu seinem Kinn, Idiot, er sollte sie loslassen, das war nicht der Augenblick für Küsse, er erstickte sie ja, zum Schreien mußte sie gebracht werden, Idiot: sollte sie lieber ohrfeigen. Aber Josefino legt einen Finger auf den Mund: nichts da, kein Geschrei, wo so viele Nachbarn da waren, hörte sie sie nicht reden? Als hörte sie ihn nicht, kreischt die Selvática noch lauter, und Josefino zieht sein Taschentuch heraus, beugt sich über das Bett und stopft es ihr inden Mund. Ohne sich stören zu lassen, macht sich Doña Santos weiter zu schaffen, massiert geschickt die zwei dunklen Oberschenkel. Und da hatte er ihr Gesicht gesehen, Padre García, und die Beine und die Hände hatten ihm gezittert, er vergaß, daß sie im Sterben lag und daß er da war, um zu versuchen, sie zu retten, brachte es nur fertig, ja, ja, sie anzuschauen, kein Zweifel: es war die Antonia, mein Gott. Don Anselmo küßte sie nicht mehr, neben dem Bett zusammengebrochen, bot er ihm wieder sein Geld an, Doktor Zevallos, sein Leben, retten Sie sie! und Josefino erschrak, Doña Santos, sie war doch nicht gestorben? Sollte sie doch nicht umbringen, sollte sie doch nicht umbringen, Doña Santos, und sie, pst: war ohnmächtig geworden, sonst nichts. Besser so, da würde sie keinen Lärm machen können, und es wäre schneller erledigt, er sollte ihr Stirnchen mit dem Tuch anfeuchten. Doktor Zevallos drückte ihm gewaltsam die Waschschüssel in die Hände, sollten mehr Wasser heiß machen, Idiot, flennen anstatt zu helfen. Steht in Hemdsärmeln da, den Hemdkragen offen und, jetzt, sehr gefaßt. Anselmo vermag die Schüssel nicht zu halten, sie entgleitet seinen Händen, Herr Doktor, sie durfte nicht sterben, greift nach der

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