Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Schüssel und erreicht auf allen vieren die Tür, Herr Doktor, sie war sein alles, und ist draußen.
»Du Scheißkerl«, murmelt Doktor Zevallos. »So ein Wahnsinn, Anselmo, wie konntest du nur, Mann, viehisch so was, Anselmo.«
»Gib mir die Tasche«, sagt Doña Santos. »Und jetzt werd ich ihr ein Täßchen Tee geben und dann kommt sie wieder zu sich. Bring das da weg, und vergrab’s gut, und daß dich niemand sieht.«
»War noch irgendeine Hoffnung?« knurrt Padre García, der die Fleischstückchen traktiert, sie durchlöchert und von einer Seite zur andern zerrt. »War’s unmöglich, die Kleine zu retten?«
»In einem Krankenhaus vielleicht«, sagt Doktor Zevallos. »Aber wir haben sie ja nicht transportieren können. Hab sie fast im Finstern operieren müssen, dabei hab ich gewußt, daß sie sterben würde. Das Wunder war eigentlich eher, daß die Chunguita es überlebt hat, die Mutter war schon tot, wie die Kleine auf die Welt gekommen ist.«
»Was heißt da Wunder?« knurrt Padre García. »Hier ist alles immer gleich ein Wunder. Für ein Wunder haben sie’s auch gehalten, wie die Quirogas ermordet worden sind und nur die Kleine davongekommen ist. Es wär besser für sie gewesen, wenn sie damals auch gestorben wär.«
»Müssen Sie auch immer an das Mädchen denken, wenn Sie am Pavillon vorbeikommen?« sagt Doktor Zevallos. »Ich schon, mir ist immer, als säh ich sie da sitzen und sich sonnen. Aber in der Nacht damals hab ich schließlich mehr Mitleid mit Anselmo gehabt als mit der Antonia.«
»Hat’s nicht verdient«, keucht Padre García. »Kein Mitgefühl, kein Mitleid, nichts. Die ganze Tragödie war seine Schuld.«
»Wenn Sie gesehen hätten, wie er getobt hat, die Füße hat er mir geküßt, damit ich das Mädchen rette, dann hätten Sie auch Mitleid gehabt«, sagt Doktor Zevallos. »Wenn Angélica Mercedes nicht gewesen wäre, wär die Chunguita auch gestorben. Sie hat mir geholfen bei ihrer Pflege.«
Sie schweigen, und Padre García führt ein Stückchen Fleisch an den Mund, verzieht aber das Gesicht vor Ekel und läßt die Gabel fallen. Angélica Mercedes kommt mit noch einem kleinen Krug Saft zurück, verjagt mit einer Hand die Fliegen.
»Hast du gehört, Comadre?« sagt Doktor Zevallos. »Wir haben gerade von der Nacht gesprochen, in der die Antonia gestorben ist. Kommt einem schon vor wie ein Traum, nicht wahr? Ich habe eben dem Padre erzählt, daß du mir damals geholfen hast, die Chunga zu retten.«
Angélica Mercedes sieht ihn sehr ernsthaft an, ohne Erstaunen oder Unruhe, so als hätte sie ihn nicht verstanden.
»Ich erinnere mich an nichts mehr, Doktor«, sagt sie schließlich leise. »Ich war Köchin, aber daran erinnere ich mich auch nicht mehr. Davon darf man jetzt nicht reden. Ich geh in die Acht-Uhr-Messe, um für Don Anselmo zu beten, damit er in Frieden ruht. Und danach geh ich zur Totenwache.«
»Wie alt warst du denn?« knurrt Padre García. »Ich weiß nicht mehr, wie du damals warst. An Anselmo und die Sünderinnen erinnere ich mich noch, aber an dich nicht.«
»Ich war noch ein kleines Mädchen, Padrecito.« Die Hand Angélica Mercedes’ ist ein flinker, wirksamer Fächer: keine Fliege nähert sich dem Piqueo oder dem Fruchtsaft.
»Höchstens fünfzehn«, sagt Doktor Zevallos. »Und so hübsch, Comadre. Wir haben alle ein Auge auf dich geworfen, und Anselmo immer, halt, die nicht, anschauen könnt ihr sie, anrühren nicht, hat aufgepaßt, als wärst du seine Tochter.«
»Ich war damals noch unschuldig, und Padre García wollte mir nie glauben.« Ein lustiges Funkeln belebt die Augen Angélica Mercedes’, aber ihr Gesicht ist nach wie vor eine strenge Maske. »Ich hab gezittert, wenn ich zum Beichten gekommen bin, und Sie immer, verlaß diese Stätte des Teufels, du bist schon verflucht. Wissen Sie das auch nicht mehr, Padre?«
»Was im Beichtstuhl gesprochen wird, ist ein Geheimnis«, knurrt Padre García mit einer Art jovialer Heiserkeit. »Behalt diese Geschichten für dich.«
»Stätte des Teufels«, sagt Doktor Zevallos. »Glauben Sie immer noch, daß Anselmo der Teufel war? Hat er wirklich nach Schwefel gerochen oder war das, um die frommen Leutchen zu erschrecken?«
Angélica Mercedes und der Arzt schmunzeln, und nach einem Augenblick dringt unter dem Schal unerwartet und dröhnend eine Mischung von würgendem Husten und erstickendem Gelächter hervor.
»Damals war er nur dort, im Grünen Haus«, sagt Padre García hustend. »Jetzt ist der Satan
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