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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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gelungen. Auf einen Schlag hab ich das Ganze noch mal durchgemacht.«
    »Bei Ihnen versteht man’s«, knurrt Padre García, als redete er mit dem Tisch. »Der da hat meine Mutter sterben sehen, jetzt soll er auch meinen Vater sterben sehen. Aber warum hat sie mich rufen lassen, dieses Mannweib?«
    »Was führt Sie denn her?« sagt Doktor Zevallos. »Was haben Sie?«
    »Kommen Sie mit, Doktor«, die Stimme kommt von rechts, hallt in dem hohen Flur. »Jetzt sofort, so wie Sie sind, Herr Doktor, es ist keine Zeit.«
    »Meinen Sie, ich erkenn Sie nicht?« sagt Doktor Zevallos. »Kommen Sie da raus, Anselmo. Warum verstecken Sie sich? Sind sie verrückt geworden, Mann?«
    »Kommen Sie, Herr Doktor, schnell«, eine gebrochene Stimme in der Dunkelheit des Flurs, dessen Decke das Echo zurückwirft. »Sie stirbt mir, Doktor Zevallos, kommen Sie.«
    Doktor Zevallos hebt die Lampe hoch und entdeckt ihn endlich, nicht weit von der Tür; er ist nicht betrunken, auch nicht wütend, sondern außer sich vor Angst. Seine Augen zucken irr zwischen den geschwollenen Lidern, und sein Rücken ist gegen die Wand gepreßt, als wollte er sie eindrücken.
    »Ihre Frau?« sagt Doktor Zevallos verblüfft. »Ihre Frau, Anselmo?«
    »Wenn sie auch beide tot sind, ich kann mich nicht damit abfinden«, Padre García schlägt auf den Tisch, und sein Hocker knarrt, »ich kann mich mit dieser Abscheulichkeit nicht abfinden. Noch in hundert Jahren wird es mir abscheulich vorkommen.«
    Die Tür des Vorraums hat sich geöffnet, und der Mann weicht zurück, als sähe er ein Gespenst, flieht aus dem Lichtkegel der Lampe. Die kleine, in einen weißen Bademantel gehüllte Gestalt macht ein paar Schritte auf den Patio zu, Bübchen, bleibt stehen, ehe sie in den Flur gelangt: wer war denn da? warum kamen sie nicht herein? Er war’s, Mama, Doktor Zevallos senkt die Lampe, verdeckt Anselmo mit seinem Körper: er mußte schnell auf einen Sprung weg.
    »Warten Sie am Malecón auf mich«, flüsterte er. »Ich hol meine Tasche.«
    »Fangt schon mal mit der Brühe an.« Angélica Mercedesstellt zwei dampfende Schalen auf den Tisch. »Hab schon Salz reingetan, und gleich bring ich euch den Piqueo.«
    Sie weint nicht mehr, aber ihre Stimme ist kläglich und sie hat sich ein schwarzes Tuch um die Schultern geworfen. Sie geht zurück in die Küche, und jetzt wiegt sie sich kaum noch in den Hüften beim Gehen. Doktor Zevallos rührt nachdenklich die Bouillon um, Padre García hebt mit vier Fingern die Schale hoch, hält sie vor die Nase und atmet den heißen Duft ein.
    »Ich hab’s auch nie begriffen, und damals, glaub ich, ist’s mir auch abscheulich vorgekommen«, sagt Doktor Zevallos. »Jetzt bin ich alt, ich hab schon viel Wasser vorbeifließen sehen, mir kommt nichts mehr abscheulich vor. Wenn Sie damals nachts dabei gewesen wären, würden Sie den armen Anselmo nicht so gehaßt haben, Padre García, das schwör ich Ihnen.«
    »Gott wird’s Ihnen vergelten, Doktor«, winselt der Mann, während er rennt, gegen die Bäume, die Bänke, das Geländer am Malecón stößt. »Ich tu alles, was Sie wollen, ich geb Ihnen mein ganzes Geld, Herr Doktor, mein ganzes Leben, Doktor.«
    »Wollen Sie mich rühren?« knurrt Padre García hinter der Schale, an der er immer noch schnuppert, und sieht Doktor Zevallos an. »Muß ich jetzt auch zu weinen anfangen?«
    »In Wirklichkeit ist das alles jetzt scheißegal«, lächelt Doktor Zevallos. »Ist längst vorbei, mein Freund.Aber dank der Chunga ist mir heute nacht alles wieder eingefallen, und ich muß immer noch dran denken. Ich red nur davon, um’s loszuwerden, hören Sie nicht drauf.«
    Padre García prüft mit der Zungenspitze, ob die Brühe schon kühler ist, pustet, trinkt ein Schlückchen, stößt auf, knurrt eine Endschuldigung und nippt und pustet langsam weiter. Gleich darauf kommt Angélica Mercedes zurück mit einer Schüssel Piqueo und mit Lúcumasaft. Sie hat das Tuch über den Kopf gezogen. Herr Doktor, war’s nicht gut? und ihre Stimme zwingt sich, natürlich zu klingen, Comadre, sehr gut. Ein wenig zu heiß noch, aber sobald sie nicht mehr so heiß war, trank er sie, und wie gut der Piqueo aussah, den sie ihnen da gemacht hatte. Jetzt kochte sie ihnen noch Kaffee, wenn sie was brauchten, sollten sie nur rufen, Padrecito. Doktor Zevallos bewegt mit einem Finger die Suppenschale hin und her und betrachtet aufmerksam die trübe, kreisrunde, schwappende Oberfläche, und Padre García hat begonnen, die

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