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das gutenberg-komplott

das gutenberg-komplott

Titel: das gutenberg-komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: born
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sie war mehr theoretischer Natur.
    Aber einmal musste Brand für drei Tage verreisen. Der Ric h ter hatte die Zeit seiner Abwesenheit so gelegt, dass kein Pr o zess anstand. Thomas vertrat ihn mit der Gewissheit, keine Entsche i dungen treffen zu müssen. »Und wenn etwas passiert«, sagte Brand, »dann schieb die Sache hinaus, bis ich zurüc k komme.«
    Genau in den drei Tagen geschah etwas, womit keiner g e rechnet hatte: Man fand die Leiche einer achtzehnjährigen Frau in einer Seitenkapelle des Doms. Sie hieß Monika Dittmar und arbeitete als Bäckerin in einem kleinen Laden am Alter Markt. Die Nachricht machte innerhalb weniger Stunden die Runde und sorgte für große Aufregung.
    Eine Frau hatte die Leiche am frühen Morgen vor einem dre i flügligen Altar gefunden. Thomas musste zum Tatort, wo sich eine Menschentraube gebildet hatte. Er betrachtete die Le i che. Es gab keine Tatwaffe, und es war auch kein Blut geflo s sen. Einzig Spuren am Hals deuteten darauf hin, dass jemand die Frau erwürgt hatte. Da der Körper kalt und die Leichensta r re eingetreten war, musste ihr Tod viele Stunden zurückliegen.
    Thomas befragte die Geistlichen. Die Tat musste in einem Zeitraum stattgefunden haben, der sich ziemlich genau eingre n zen ließ. Am Vortag, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, war ein Kaplan in der Kapelle gewesen, ohne Auffälliges zu bemerken. Da die Kathedrale nachts abgeschlossen wurde, musste der Mord nach Einbruch der Dunkelheit, aber vor dem Verriegeln der Eingänge geschehen sein.
    Thomas ging zum Alter Markt, wo Monika Dittmar in der v ä terlichen Bäckerei gearbeitet hatte. Die Eltern hatten ihre Toc h ter zuletzt gegen Mittag lebend gesehen und sich über ihr Wegble i ben nicht gewundert, weil sie den Nachmittag frei ha t te. Erst als sie nachts nicht kam, machten sie sich Sorgen. Thomas e r fuhr, dass Monika Dittmar einen »Verehrer« hatte, wie die Mutter es nannte; er war von Beruf Fassmacher, und es schien beschloss e ne Sache zu sein, dass die beiden bald heiraten wü r den.
    Thomas fand den Fassmacher in seiner Werkstatt. Er hatte die Nachricht noch nicht gehört und wurde kreidebleich. Sie führten ein langes Gespräch. Als Thomas ihn auf die geplante Heirat ansprach, wurde der Mann unsicher. Monikas Eltern se i en nicht über den neuesten Stand der Dinge informiert. Ein ju n ger Spielmann habe Monika den Kopf verdreht. Erst vor ein i gen Tagen sei das passiert, seitdem habe er sie kaum noch g e sehen. Die Zeit vom späten Nachmittag bis kurz vor Mitte r nacht hatte der Fas s macher bei einem Freund verbracht, der seine Angaben bestäti g te.
    Die Stimmung im Volk war aufgeheizt. Nachdem sich auf unklaren Wegen Monika Dittmars Affäre mit dem Spielmann herumgesprochen hatte, hieß es bald, dieser sei der Mörder. Spielmann war ein »unehrlicher Beruf«, ähnlich wie Henker oder Köhler. Der Spielmann trat auf Märkten auf oder dort, wo viele Menschen versammelt waren; er brachte mit Scherzen und Musik sein Publikum zum Lachen.
    Thomas ließ ihn zum Verhör kommen. Es erschien ein schlanker Mann mit schmalem Gesicht, der ernst und veräng s tigt wirkte. Thomas war bemüht, sich ein objektives Bild von ihm und der Situation zu machen, was nicht einfach war, weil das Volk seine Entscheidung schon getroffen hatte; es waren schon Stimmen laut geworden, den Spielmann sofort aufzuhä n gen, ohne vorangehendes Verhör oder Urteil.
    Als Thomas den Spielmann auf Monika Dittmar ansprach, gab er ohne Zögern zu, sie gekannt zu haben. Thomas erinnerte sich noch genau an das Verhör, das er damals geführt hatte, und die Gedanken daran waren für ihn sehr unangenehm.
    »Was heißt gekannt?«, fragte Thomas.
    »Wir trafen uns. Sie wollte mit mir durchs Land ziehen.«
    »Wo habt ihr euch getroffen?«
    »Am Rhein, ein Stück unterhalb der Stadt bei den Weiden.«
    Die Stelle war vor Blicken geschützt. Es war Sommer und heiß.
    »Das ist ziemlich entlegen!«, sagte Thomas.
    »Sie ist freiwillig gekommen. Niemand hat sie gezwungen.« Der Mann sprach schnell und aufgeregt, er wusste, dass es um sein Leben ging.
    »Was geschah weiter?«
    »Was wir da machten, hat sie bestimmt nicht umgebracht!«
    Draußen, vor dem Gerichtsgebäude, hatte sich eine Me n schenmenge versammelt, die die Hinrichtung des Verdächtigen forderte. Thomas überlegte, wie Brand, der alte Richter, sich an seiner Stelle verhalten hätte.
    »Man kann mir einiges vorwerfen«, sagte der Spielmann. »Ich bin sicher kein Heiliger. Aber Mord?

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