Das Hades Labyrinth (German Edition)
direkten Vorgesetzten hielt.
Bodrig. Gott sei Dank hatte sie nach der Scheidung wieder ihren Mädchennamen angenommen. Aber nicht nur das. Alle Fotografien, die es jemals von ihnen beiden gegeben hatte, waren verbrannt, alle Erinnerungsstücke an vier Jahre Ehe vernichtet worden. Nichts von ihm sollte sie in ihr neues Leben begleiten.
Sie liebte Daniel, doch Leon Bodrig war in ihr Leben zurückgekehrt.
Ich muss es ihm sagen, dachte sie erneut. Wenn ich verheimliche, dass ich mit Leon verheiratet war, ist es aus. Das wird er mir nie verzeihen.
Sag es ihm nicht, flüsterte eine andere Stimme in ihrem Geist. Warte, bis eure Beziehung sich gefestigt hat und er die Wahrheit verkraften kann. Sag kein Wort.
Eine einzelne Träne lief ihre Wange hinunter.
Jessica hatte sich entschieden.
Sie würde ihre neue Beziehung nicht auf einer Lüge aufbauen.
Heute wollte ihn Jessica zum ersten Mal in seiner Wohnung besuchen und Daniel spürte instinktiv, dass sie sich mehr von diesem Abend versprach.
Was mache ich bloß, wenn Sie wieder mit mir schlafen will?
Ich kann nicht. Ich kann einfach nicht.
Daniel fühlte die Erregung, die sich seines Körpers bemächtigte, wenn ihn Jessica leidenschaftlich küsste und auch ihr blieben die körperlichen Anzeichen nicht verborgen, aber sobald sie ihre Hand tiefer gleiten ließ, wandte er sich ab. Zurück blieben jedes Mal ein verlegenes Schweigen und das Gefühl, sie enttäuscht zu haben. Aber er konnte nicht anders.
Diese Beziehung ist zum Scheitern verurteilt, sagte er sich stumm. Und dieser Gedanke tat weh. Er liebte Jessica, wollte bei ihr sein, von einer Zukunft mit ihr träumen, aber da war auch das Wissen, ein hässlicher Krüppel zu sein. Niemals würden sie wie andere Paare Hand in Hand auf der Straße spazieren gehen, ohne angegafft zu werden. Sie würden keine gemeinsamen Freunde haben, sich nie auf einer Party von der einen Seite des Raumes zur anderen zuwinken, weil er nicht auf eine Party gehen würde. In einem Restaurant würde sie den Tisch in einer hinteren Ecke wählen. Er würde mit dem Rücken zur Tür sitzen, damit ihn niemand anstarren konnte und sein Essen schnell herunterwürgen, damit er das Licht der Öffentlichkeit wieder verlassen konnte. Und niemand kann sein Leben an abgeschiedenen Orten oder in der Wohnung verbringen. Er und Jessica würden immer die Schöne und das Biest sein, wenn andere Menschen in ihrer Nähe waren.
Die Katze sprang vom Sofa und strich um seine Beine.
Du kannst mich nehmen, wie ich bin, aber für alle anderen bin ich ein Monster.
Seine gute Laune war verflogen. Adams Antlitz war mächtiger als je zuvor. Seine Augen riefen nach ihm, forderten die Seele, die er ihm vorenthalten hatte. Und Daniel wollte sie ihm geben, damit all dieses Leid ein Ende hatte.
Jessica klingelte zum wiederholten Mal, aber nichts tat sich, aus der Daniels Wohnung erklangen keine Geräusche.
Wo ist er?, fragte sie sich.
Sie hatten sich verabredet und nun war er nicht da. Ungewöhnlich für Daniel, den sie als sehr zuverlässig kannte. Nachdenklich betrachtete sie die Flasche Rotwein in ihrer Hand. Sie sah an sich herab. Ein rotes Kleid mit einem gewagten Ausschnitt, der ihre vollen Brüste betonte. An ihren Füßen trug sie leichte Schuhe mit hohen Absätzen, um die Länge ihrer Beine zu hervorzuheben. Sie hatte sich so viel Mühe gegeben und wollte schön für ihn sein und nun war er nicht da. Kein Anruf, keine Nachricht an der Tür.
Irgendetwas stimmte da nicht. Jessica spürte es. Sie konnte fühlen, dass sich Daniel in der Wohnung befand, ihr aber nicht öffnen wollte.
Was war bloß los?
Sie klingelte erneut. Diesmal energischer. Nichts.
„Daniel“, rief sie. „Bist du da? Bitte mach auf.“
Hoffentlich hörte die alte Müller sie nicht. Es fehlte noch, dass ihre Vermieterin sie dabei belauschte, wie sie Daniel anflehte, ihr die Tür zu öffnen. Alles blieb still. Auch von oben war nichts zu hören.
Jessica wurde zornig. Sie kam sich blöd vor, wie sie hier vor seiner Wohnungstür stand, eine Flasche Wein in der Hand und aufgetakelt, als wolle sie zu einem Empfang gehen. Kurz entschlossen stieg sie Treppe hinunter und ging aus dem Haus. Daniels Gartentor war nicht verschlossen und sie zögerte nicht einzutreten. Insgeheim hatte sie gehofft, er wäre im Garten und hätte sie vielleicht nicht gehört, aber da war er nicht.
Ihre Absätze klackten auf den Steinplatten, als sie zur Terrassentür schritt. Sie legte beiden Hände
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