Das Hades Labyrinth (German Edition)
gegen das Glas und spähte in die Wohnung.
Daniel saß auf dem Boden und starrte bewegungslos ein überdimensionales Bild an. Zuerst begriff Jessica nicht auf was er da starrte, aber dann sah sie die Phantomzeichnung aus der Zeitung. Sie war unglaublich groß, dominierte die ganze Wand und wirkte in ihrer Einfachheit bedrohlich und unheimlich. Neben dem Bild hingen unzählige Zeitungsausschnitte. Obwohl Jessica nicht viel erkennen konnte, wusste sie doch, dass auch sie sich mit Adam beschäftigten. Daniel hatte seinem Peiniger einen Tempel errichtet. Wie ein Gläubiger vor einem Madonnenabbild, huldigte er seinem Götzen des Todes. Jessica war entsetzt. Sie wusste, dass Daniel noch immer unter den Ereignissen vor achtzehn Monaten litt und oft Probleme mit Angstzuständen und Albträumen hatte, aber dass er den Mann, der ihm das alles angetan hatte, soviel Platz in seinem Leben einräumte, war ihr neu. Daniel wollte oder konnte sich nicht von seinem Schrecken lösen. Im Gegenteil, es wirkte, als wolle er darin versinken.
Ist er geisteskrank?, fragte sie sich.
Der Daniel, den sie jetzt sah, war ein ganz anderer Mensch, als der, den sie kennen gelernt hatte. Ihr Daniel war liebenswert, höflich und zärtlich. Dieser Daniel aber machte ihr Angst. Kalte Furcht presste ihr Herz zusammen. Sie hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.
Und dann wandte er sich um. Sah ihr direkt in die Augen. Er stand nicht auf, bewegte sich nicht.
Jessicas Mund formte stumm das Wort „Warum?“.
Eine halbe Ewigkeit geschah nichts. Schließlich schüttelte Daniel langsam den Kopf.
Und Jessica wusste, dass es vorbei war.
Nachdem Jessica gegangen war, ließ Daniel seinen Tränen freien Lauf, aber er weinte nicht lange.
Reiß Dich zusammen, dachte er. Es ist besser so. Besser für sie, besser für mich. Du hast eine Aufgabe zu erfüllen und nichts wird dich von nun an davon abhalten, sie zu erledigen.
Jage Adam! Hetze ihn! Zerr ihn aus der Dunkelheit! Er soll wimmern und schreien. Flehen. Ja, du sollst mich auf Knien anflehen, dein Leben zu schonen. Und ich werde dich quälen, wie du mich gequält hast. Ich werde deinen Schreien lauschen und mich an deinem Schmerz weiden. Und wenn ich genug habe, wenn mir deine Qualen ausreichend erscheinen, dann werde ich dich töten.
Und es wird lange dauern, bis du stirbst.
Die Rache würde ihm gehören, aber Daniel war nicht dumm. Er wusste, ohne entsprechende Vorbereitung konnte er es nicht wagen, sich seinem Folterer zu stellen. Aus diesem Grund fuhr er nach München. In dieser Stadt hatte die Firma ihren Sitz die seine Beinprothese angefertigt hatte. Daniel wollte einige Anderungen daran vornehmen lassen. Er war darauf eingestellt, dass man seinem Ansinnen kopfschüttelnd gegenüber stehen würde, aber letztendlich würde er sich durchsetzen. Es war seine Behinderung und es war seine Prothese. Er konnte damit machen, was er wollte.
Als Daniel über die Autobahn raste, loderte der Zorn in ihm auf.
„Niemand hält mich jetzt noch auf“, schrie er sich selbst an.
13. Schwarze Schwingen
Daniel war wie im Fieber. Er dachte kaum noch an Jessica. In seinen Gedanken war nur noch Platz für Adam und für den Plan, mit dem er ihn aufspüren und zur Strecke bringen wollte.
Zunächst musste er herausfinden, ob sich Adam irgendwann einmal wegen seiner Krankheit in einer Fachklinik hatte behandeln lassen. Krankenhäuser nahmen allerdings den Datenschutz ihrer Patienten, das so genannte Sozialgeheimnis, sehr ernst. Normalerweise musste ein richterlicher Beschluss zur Dateneinsicht vorlegt werden, aber da Daniel die Behörden aus dem Spiel halten wollte, musste er ein wenig tricksen. Trotzdem würde es sehr schwer werden, Adams Identität aufzudecken, selbst wenn er sich in einer der fünf Kliniken hatte behandeln lassen, die Daniel herausgefunden hatte.
Sein Vorteil – er war Polizist und hatte noch immer seinen Dienstausweis. Sein Nachteil – er sah seinem alten Foto inzwischen nicht mehr im Mindesten ähnlich. Außerdem war sein Äußeres zu auffällig und würde für zusätzliche Aufregung sorgen. Ganz abgesehen davon, dass man sich an ihn bestimmt erinnern würde. Nein, die Sache musste telefonisch laufen. Das eigentliche Problem dabei war, dass die Kliniken sensible Patientendaten nicht per Telefon herausrückten. Um überhaupt eine Chance zu haben, musste er einen offiziellen Telefonapparat benutzen, auf dem er auch zurückgerufen werden konnte. Für
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