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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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und senken, mußte in der Luft ein bißchen radfahren – alles Übungen, die so lange dauerten, bis der Folterknecht den vorigen Patienten zu einem jammernden, schwitzenden Wrack verarbeitet und wieder auf seine Station geschickt hatte. Dann widmete er sich dem nächsten. Gestorben ist da unten keiner, aber es hat auch niemanden gegeben, der nicht kurz davor gewesen wäre. Eine halbe Stunde dauerte diese Tortur jedesmal, und hinterher war man drei Stunden lang damit beschäftigt, die malträtierten Knochen wieder zu beruhigen.
    Frau Imle durfte nach Hause gehen. Sie hinterließ mir drei Pfund Orangen, fünf Nelkensträuße in den verschiedenen Stadien des Verwelkens und alle Traktätchen, die sie im Laufe ihrer Genesung auf dem Nachttisch angehäuft hatte. Die Putzfrau war dankbar dafür. Ihre Schwiegertochter hatte einen Gemüseladen und brauchte immer Einwickelpapier.
    Einen halben Tag und eine ganze Nacht lang genoß ich das Alleinsein, dann bekam ich wieder Zuwachs ins Zimmer. Im Gegensatz zu den meisten anderen Patienten, die entweder auf Tragen oder Rollstühlen in die Station gebracht wurden, erschien Frau Dombrowski auf ihren eigenen zwei Beinen. Sehr stämmigen übrigens, die sie aber auch brauchte, um das restliche Körpergewicht tragen zu können.
    Eine Nachoperation stehe ihr bevor, die dritte schon, irgendwas am Knie sei es, das käme wohl vom vielen Stehen, und das wiederum bringe der Beruf so mit sich, als Verkäuferin sei man ja immerzu auf den Beinen und abends noch der Haushalt mit Mann und Sohn, sie freue sich direkt auf eine Zeitlang Auspannenkönnen, einige Wochen würden wohl draufgehen, sie kenne das schon, im übrigen auch die beste Gelegenheit zu einer kleinen Abmagerungskur, das falle ihr hier gar nicht schwer, sie werde sich wieder auf Diät setzen lassen, nur 750 Kalorien am Tag, nach der Operation habe sie ohnedies nie Hunger, und ob es freitags immer noch Fisch in Senfsoße gebe?
    Soviel hatte Frau Imle den ganzen Tag über nicht geredet wie ihre Nachfolgerin in fünf Minuten. Während sie ihren Schrank einräumte, plapperte sie munter weiter. Danach verschwand sie erst einmal, um die Schwestern zu begrüßen. Sie kannte alle, denn die Wiedersehensfreude drang durch die geschlossene Zimmertür. Trotzdem hatte ich den Eindruck, daß diese Freude etwas einseitig war.
    Zum Glück war Frau Dombrowski Nichtraucherin, ins Getto kam sie also nicht, und vom nächsten Tag an war sie ohnehin ans Bett gefesselt. Jetzt war ich diejenige, die Samariterdienste leisten konnte. Es war nicht weiter schwierig, einen kalten Waschlappen zu bringen oder ihr die Zippeltasse mit Tee an den Mund zu halten; ein Handtuch ließ sich ebenso leicht über die Krücke hängen wie der gehäkelte Taschentuchbehälter, aber als ich den Rosenstrauß vom Nachttisch entfernen sollte, weil er so stark duftete, mußte ich doch nach der Schwester klingeln. Wie sollte das bloß werden, wenn ich wieder nach Hause durfte? Ich war ja nicht mal in der Lage, einen Teller auf den Tisch zu stellen.
    Ob es nun die Diät war oder die Marzipankartoffeln, mit denen Frau Dombrowski die Pausen zwischen den Mahlzeiten überbrückte, weiß ich nicht, jedenfalls bekam sie Magenschmerzen. Und Tabletten gegen die Magenschmerzen. Die spülte sie statt mit Wasser lieber mit Multivitamintrank hinunter, worauf die Magenschmerzen zunahmen. Dr. Jellinek holte einen Kollegen von der Inneren. Der empfahl statt Tabletten Supp.
    »Ach ja«, sagte Frau Dombrowski dankbar, »liever mol e Supp, ich konn die ewische Rühreier net mehr sehe.«
    Sie war schwer enttäuscht, als man ihr sagte, daß sie künftig keine gehaltvollen Suppen zu erwarten hätte, sondern daß man die Tabletten lediglich gegen Suppositorien, also Zäpfchen, auswechseln werde. Frau Dombrowski ließ sich von der Diätliste streichen, orderte ab sofort Vollkost, zu der auch ein Teller Suppe gehörte, aß bis zur Dekorationspetersilie alles auf und wurde ihre Magenschmerzen los. »Es wor bloß de Hunger.«
    Dienstags war Tag der Kultur. Dann nämlich wurde die mobile Krankenhausbibliothek durch die Zimmer gerollt, gesteuert von einer älteren Dame, die sich immer erst für die selbst mitgebrachte Lektüre interessierte, bevor sie einem etwas Gleichwertiges anbot. Auf meinem Nachttisch lag »Der Name der Rose«, Nummer eins der Bestsellerliste, jedoch ein ziemlich schwerer Brocken und nicht unbedingt die richtige Krankenhauskost.
    »Das ist viel zu anstrengend«, sagte Frau Schäfer, denn so

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