Das hätt' ich vorher wissen müssen
es auch nur zu einer eigenen Würstchenbude gebracht hätte.
Jedenfalls tauchte Sven regelmäßig am Wochenende zu Hause auf, beladen mit lehmverschmierten Hosen und ebensolchen Pullovern, die ich waschen, flicken und wieder in einen tragbaren Zustand versetzen sollte. Sascha kam nur alle drei Wochen, blieb dann aber gleich mehrere Tage und brachte jedesmal den ganzen Haushalt durcheinander. Durch seinen Beruf war er zum Nachtmenschen geworden, der bis mittags schlief, um drei Uhr frühstückte und ab elf Uhr abends die Küche blockierte, weil »ich ja irgendwann mal was essen muß«. Dann fing er an zu kochen, denn davon hatte ich plötzlich keine Ahnung mehr – »deine angebliche Rahmsoße ist eine kulinarische Vergewaltigung!« –, und wenn er irgendwann zwischen Mitternacht und Morgen ins Bett kroch, war die Küche ein Schlachtfeld und ich mit den Nerven am Ende. Das änderte sich erst, als er sich verliebte und diesen Zustand während der nächsten Jahre beibehielt. Die Objekte seiner Zuneigung wechselten, aber wenigstens brachte er jetzt meist jemanden mit, der nach seinen gastronomischen Höhenflügen die Küche wieder saubermachte.
Seine Illusionen von einem vorgezogenen Rentnerdasein wollte Rolf doch nicht so schnell begraben, und deshalb fing er an, den Haushalt zu reorganisieren. Subalterne Tätigkeiten wie Geschirrspülen und Toilettenreinigen delegierte er an die Mädchen, Kochen, Waschen und Bügeln fielen weiterhin in mein Ressort, und um den Garten würde sich künftig Sven kümmern müssen. Immerhin hatte der sich diese Tätigkeit als Lebensziel erkoren.
Nur hatte der große Organisator bei seiner Planung nicht bedacht, daß die Mädchen immer noch schulpflichtig waren und Sven seine regelmäßigen Besuche bei uns einstellte, sobald er mitgekriegt hatte, daß zu Hause nur noch Arbeit auf ihn wartete. Statt dessen hielt er den wesentlich kleineren Garten seiner Zimmerwirtin in Ordnung, die ihm von nun an seine dreckigen Klamotten wusch und für ihn kochte.
Stefanie war nachmittags mit ihren Hausaufgaben und/oder den Begleiterscheinungen des Tanzkurses beschäftigt, die mit schöner Regelmäßigkeit vor der Tür standen, in knirschendes Leder gehüllt und mit Zweitkopf unterm Arm, worauf unsere Tochter sich ebenfalls in ihren Astronautenlook warf und während der nächsten Stunden nicht mehr gesehen ward. Mopedgeknatter signalisierte ihren Abgang.
»Gestern hat man ihnen noch die Windeln gewechselt, und heute sitzen sie schon auf dem Motorrad und sind tätowiert«, knurrte der gestreßte Vater.
So blieb der Haushalt weiter an mir hängen, aber es bedeutete natürlich eine große Erleichterung, daß Rolf die Wochenendeinkäufe übernahm und ich immer nur noch das holen mußte, was er vergessen hatte. Seitdem hatten wir ständig einen beruhigenden Vorrat an Zigaretten und Getränken im Haus, aber Milch und Brot mußte ich mir häufig nach Ladenschluß in der Nachbarschaft zusammenborgen. Außerdem kam er jedesmal total entnervt von seiner Einkaufstour zurück und war dann nicht mehr in der Lage, auch nur den Mülleimer rauszubringen.
»Zu den schwersten Entschlüssen im Leben gehört der, bei welcher Kasse man sich anstellen soll. Du kannst Gift darauf nehmen, daß sich die kürzeste Schlange am langsamsten fortbewegt, weil immer jemand vor dir dran ist, bei dem erst eine Gipfelkonferenz des Geschäftspersonals klären muß, wieviel denn nun diese verdammte Klosettbürste kostet.«
»Du hast das Gummiband vergessen, den Kaffee, Waschpulver und die sauren Gurken! Ich habe dir doch die Einkaufsliste mitgegeben. Guckst du da nicht ab und zu mal drauf?«
»Ich mach mich doch nicht lächerlich!« wehrte er entrüstet ab. »Deine Bestellungen schreibst du auf Büttenpapier, und dann schickst du mich damit zu Aldi.«
»Das war die Rückseite von Tante Lisbeths Geburtstagsglückwunsch.«
»Na, wenn schon! Jedenfalls war sie aus Bütten. Mit so was in der Hand kann man keine Jagd auf Sonderangebote machen. Außerdem habe ich auch ohne Waschpulver und Gurken fast zweihundert Mark hingeblättert, das dürfte für ein Wochenende wohl genügen. Ich habe mir zwar immer gewünscht, das Geld mal mit vollen Händen auszugeben, aber doch nicht für Butter, Zucker und Mayonnaise!«
Im Klartext hieß das: Jetzt steuere auch endlich etwas zum Haushaltsbudget bei!
Dabei hatte ich ganz andere Pläne. Jedesmal, wenn ich an dem hiesigen Autohaus vorbeikam, liebäugelte ich mit den aufgereihten Gebrauchtwagen. Die
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