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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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klingt, hatte ich mich im Laufe von zweiundzwanzig Jahren daran gewöhnt und keinen Grund gesehen, ihn aus welchen Gründen auch immer zu ändern. Doch plötzlich sah die Sache anders aus. Die Möglichkeit, einem Einwohner von Bad Randersau könnte durch Zufall ein Buch von mir in die Hände kommen, war nicht auszuschließen, und wenn ich auch nichts dagegen hatte, außerhalb des Landkreises berühmt zu werden, so konnte dieser Ruhm ruhig an der Stadtgrenze haltmachen. Aber dazu brauchte ich ein Pseudonym.
    »Wie wär’s denn mit Bettina von Barnhelm?« Steffi hatte damals gerade ihre romantische Phase und las nur Klassisches.
    »Renate Schulze«, sagte Rolf.
    »Mit bloß Schulze wird man nicht berühmt.« Nicki legte ihre Stirn in Dackelfalten. Wenn sie so aussieht, denkt sie nach. »Es muß nach was ganz Besonderem klingen, irgendwas mit vielen Vokalen drin wie Marzipankartoffeln oder Surabaya. Angelina wäre schon mal ganz gut, und hintendran was Italienisches. Die haben doch alle so tolle Namen.«
    »Angelina Corleroni«, schlug Katja vor. »Bella Donna«, sagte Nicki.
    »Das paßt!« Wiehernd schlug sich Rolf auf die Schenkel.
    »Ihr spinnt doch alle miteinander!« Hätte ich bloß nicht dieses Thema angeschnitten. »Weder bin ich Fotomodell, noch will ich Stripteasetänzerin werden. Ich suche einen ganz normalen Namen, der mit S anfängt, damit wenigstens das Monogramm auf meiner Handtasche noch stimmt.«
    »Na, wenn du auf solche Lappalien Wert legst…«
    »Lege ich! Wie findet ihr Sanders?«
    »Ist doch nichts Besonderes.«
    »Eben! Deshalb klingt es auch nicht herausgesucht.« Allerdings konnte ich nicht ahnen, daß man zu einer Zeit, in der aus Wiener Würstchen »Hot dogs« geworden waren und aus harmlosen Buletten »Hämbörgers«, eine deutsche Evelyn Sanders als vermeintlich amerikanische »Äwwelyn Ssänders« verkannt werden könnte.
    Dabei ist der Name Sanders wirklich deutsch. Es hat ihn schon im vergangenen Jahrhundert gegeben, und zwar in meiner eigenen Familie. Er wurde des öfteren im Zusammenhang mit einer »Henny« erwähnt, und es hat lange gedauert, bis ich dahinterkam, daß es sich bei Henny um meine Urgroßtante Henriette handelte, deren Existenz jedoch aus der Familienchronik gestrichen worden war. Henny hatte das getan, was eine höhere Tochter im 19. Jahrhundert auf keinen Fall hätte tun dürfen: Sie hatte geheiratet – natürlich standesgemäß etwas Passendes aus der preußischen Beamtengilde –, war dann aber mit einem einfachen Stallmeister durchgebrannt und hatte von ihm sogar ein Kind gekriegt. Ich bin nie den Verdacht losgeworden, daß Theodor Fontane meine Urgroßtante gekannt und ihr mit »Effi Briest« ein Denkmal gesetzt hat. Schon als Backfisch hatte mir Tante Henny wegen ihres heroischen Widerstandes gegen Konventionen imponiert (»Wahre Liebe bricht alle Tabus!!!«), und ich empfinde auch heute noch eine gewisse Hochachtung für sie. Weil ihr damaliger Name Sanders zufällig auch mit S anfängt, habe ich ihn mir einfach ausgeliehen.
    Nun sollte ich also etwas typisch Deutsches schreiben, um die Buchhändler endgültig von meiner teutonischen Herkunft zu überzeugen. Aber was, bitte sehr, ist typisch deutsch? Schwarzwaldtannen oder Wenn abends die Heide blüht? Hartherziger Großgrundbesitzer, wenn möglich von Adel, wird durch die Liebe eines bildhübschen Naturkindes zum Philanthropen? So was Ähnliches hat Dickens auch schon verfaßt, kann also gar nicht typisch deutsch sein. Ganz abgesehen davon, daß man von mir keine Herz-Schmerz-Story erwartete, sondern gefälligst etwas Heiteres, möglichst noch mal was mit Familie, das käme immer an. Mit den Schölermanns im Fernsehen hat’s angefangen, mit den Hesselbachs und den Unverbesserlichen ging’s weiter, Familie ist »in«, Bafög war für alle da, warum nicht mitschwimmen im Trend? Meine Familie war schließlich groß genug, die würde bestimmt den Stoff für ein weiteres Buch hergeben.
    Das stimmte sogar, und ich sammelte schon fleißig Aussprüche, notierte Stichworte und ging meinem Nachwuchs ziemlich auf die Nerven, weil ich überall Block und Bleistift herumliegen hatte. Aber noch war ich nicht soweit. Mir schwirrte etwas ganz anderes im Kopf herum, ein Buch, das aufgrund seiner Thematik eigentlich gar kein heiteres werden konnte, das dann aber doch eins wurde (was mir einige Kritiker ziemlich übelgenommen haben).
    Die Idee dazu war mir bereits vor langer Zeit gekommen und nahm immer mehr Gestalt an, wenn

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