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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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meisten waren viel zu groß und deshalb unerschwinglich, aber seit einigen Tagen stand ganz hinten ein kleines silbernes Autochen, in das ich mich sofort verliebt hatte. Sobald die Sonne auf seine Scheiben fiel, schien es mir zuzublinzeln, und wenn mich niemand sah, ging ich zu ihm hin und streichelte es verstohlen. Seine besten Jahre hatte es zweifellos hinter sich, aber es sah noch ganz rüstig aus, und das bißchen Rost an den Seiten verlieh ihm eine gewisse Würde. Ich assoziierte die braunen Stellen in seiner Karosserie einfach mit meinen eigenen grauen Haaren, die ja auch mal dunkel gewesen waren. Wir würden bestimmt großartig zusammenpassen.
    Eines Tages faßte ich mir ein Herz und betrat die Halle, in der die chromblitzenden Neuwagen mit den Schaufensterscheiben um die Wette spiegelten. Allerdings gönnte ich ihnen keinen Blick. Ich hatte mein Herz an den kleinen Winzling draußen auf dem Hof verloren.
    So ähnlich schätzte mich wohl auch der Verkäufer ein, denn er machte nicht die geringsten Anstalten, mir mit PS-Zahlen und Hubraumgröße zu imponieren, er hob nur fragend die Augenbrauen.
    »Ich möchte gern eine Probefahrt mit einem Ihrer Gebrauchtwagen machen.«
    »Da müssen Sie sich an die Werkstattleitung wenden!«
    Also wandte ich mich an die Werkstattleitung, einen gütigen älteren Herrn Marke »Lieber Opa«, der mir auch bereitwillig die Schlüssel aushändigte und mit Strippe rote Nummernschilder an Autochens Stoßstangen befestigte. »Die Gangschaltung ist ein bißchen hakelig, aber sonst ist der Wagen in Ordnung. Genau das richtige für Sie.«
    Das fand ich auch. Erst hoppelte er noch etwas, aber dann schnurrte er munter los. Nach drei Kilometern hatte ich den Bogen mit dem Schalten heraus, nach fünf Kilometern hatten wir uns aneinander gewöhnt, und als ich wieder auf den Abstellplatz kurvte, hatte Autochen einen neuen Besitzer.
    Beim Unterzeichnen des Kaufvertrags zögerte ich einen Augenblick, aber dann setzte ich doch meinen Namen auf das Papier. Schließlich war es mein Geld, das ich in diesem Moment ausgab, es lag – noch! – auf meinem Konto, und Rolf fragte mich ja auch nie vorher, ob er sich ein neues Objektiv für seine Kamera kaufen durfte, wenn er das alte mal wieder irgendwo hatte liegenlassen.
    Morgen nachmittag sollte Autochen TÜV-geprüft und zugelassen abholbereit sein. Mir blieben noch siebzehneinhalb Stunden Zeit, die Familie auf den motorisierten Zuwachs vorzubereiten. Wohlweislich suchte ich dazu die Stunde nach dem Abendessen aus. Gefüllte Bäuche wollen verdauen, wollen sich nicht durch Aufregungen davon abhalten lassen, wollen Ruhe haben.
    Wie erwartet, war die Reaktion der drei Mädchen enthusiastisch. »Jetzt kannste uns endlich morgens zum Schulbus bringen, wenn es mal wieder wie aus Eimern gießt«, freute sich Nicki, während Stefanie die Taxidienste ihrer Mutter bereits gezielter einplante. »Du sagst doch immer, wir sollen im Dunkeln nicht allein auf der Straße sein. Nach dem Training ist es aber meistens schon dunkel, und wo doch jetzt die neue Turnhalle noch ein Ende weiter weg ist…«
    Rolf hüllte sich erst einmal in Schweigen. Eigenmächtigkeiten dieser Größenordnung schätzte er überhaupt nicht, und schon gar nicht, wenn es sich dabei um technische Dinge handelte. Zwar hatte er davon genausoviel Ahnung wie ich – nämlich gar keine –, aber er war schließlich ein Mann, und für Autokäufe waren seit Erfindung des Automobils Männer zuständig. »Ich möchte nicht wissen, was du dir da hast andrehen lassen!«
    »Es ist ja nur ein gebrauchter Kleinwagen«, verteidigte ich mich.
    »Dann werden dir wenigstens die Raten das Gefühl geben, du hättest einen großen gekauft.«
    »Ich hab ihn doch bar bezahlt.«
    Das war nun auch wieder nicht richtig gewesen. Autos zahlt man nicht bar, weil man Schulden steuerlich absetzen kann.
    »Du mußt noch viel lernen«, sagte mein Ehemann, während er vom Eßzimmerstuhl auf den Fernsehsessel wechselte. »Hast du noch irgend etwas zu sagen, bevor die Fußballübertragung beginnt?«
    Hatte ich nicht. Ich war im Gegenteil froh, daß die erwarteten Proteste ausgeblieben und Autochen beinahe anstandslos akzeptiert worden war.
    Rolf ließ es sich auch nicht nehmen, mich am nächsten Tag zu begleiten. Sogar zu Fuß, obwohl wir fast einen Kilometer laufen mußten. Mißtrauisch umrundete er das frischgewaschene, in der Sonne blitzende Auto, klopfte hier ans Blech, rüttelte dort am Kotflügel, bohrte mit

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