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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Stunde sind wir zurück. Ehrenwort.«
    Na schön. Ich wurde in ein Auto gesetzt, das annähernd so betagt war wie Goliath, und dann ging es quer durch Berlin. Unterwegs stellte der Herr Reporter seine Fragen. Da er sich aber mehr auf den Verkehr konzentrierte als auf meine Antworten, muß ihm wohl einiges durcheinandergeraten sein, denn nur so ist zu erklären, daß das später veröffentlichte Interview herzlich wenig Ähnlichkeit hatte mit dem, was ich Herrn Lüders während der Fahrt erzählt hatte.
    Allmählich kamen wir heraus aus der Innenstadt, die Autos wurden weniger, die Bäume wurden mehr, und dann wußte ich endlich, was die beiden mit mir vorhatten. Da war auch schon der U-Bahnhof Onkel Toms Hütte, und richtig, es ging rechts ab in die Riemeisterstraße.
    »Konnten Sie mir das nicht ersparen?«
    »Warum denn?« Herr Lüders latschte voll auf die Bremse. »Da drüben ist es doch, nicht wahr? Finden Sie es nicht originell, wenn wir hier ein paar Fotos schießen?«
    Das fand ich gar nicht. Zögernd kletterte ich aus dem Wagen und sah mich um. Seit dem Tod meiner Großmutter war ich nicht mehr hier gewesen, aber es hatte sich kaum etwas verändert. Die Häuser hatten noch denselben fürchterlich grünen Anstrich wie vor vierzig Jahren, die Haustüren waren immer noch zweifarbig, nur die Bäume neben dem Radfahrweg hatten mächtig zugelegt. Sie überragten jetzt schon die flachen Dächer. Hopse konnte man auch nicht mehr spielen. Wo wir früher mit Dreirädern und Tretrollern herumgekurvt waren, standen jetzt geparkte Autos.
    Verstohlen sah ich zu den Fenstern hinauf. Vor dem meines ehemaligen Zimmers hing Gittertüll; seinerzeit waren es Blümchengardinen gewesen. Das Küchenfenster nebenan zierte Gehäkeltes, und ein Stockwerk höher, wo Omis Wolkenstores jahrelang das Prunkstück der Straße gewesen waren, baumelte etwas Gelbes, das jetzt vorsichtig zur Seite gezogen wurde. Na bitte, ich hab’s ja geahnt!
    Nun übernahm Herr Lüders die Regie. »Stellen Sie sich mal vor die Eingangstür, aber so, daß man die Hausnummer noch sieht. Kopf mehr nach links, bitte, und dann lächeln.« Sein Adlatus knipste drauflos. »Und nun vielleicht mal mit einem etwas sentimentalen Blick, also ich meine erinnerungsträchtig – na, Sie wissen schon!« Ich wußte es nicht, legte mein Gesicht in nachdenkliche Falten und sah vermutlich aus wie ein melancholischer Dackel.
    »Jetzt machen wir noch eine Aufnahme direkt unter dem Straßenschild!« (Inzwischen bewegten sich schon mehrere Gardinen.) Herr Lüders drückte mir ein aufgeschlagenes Exemplar der »Pellkartoffeln« in die Hand. »Lehnen Sie sich ganz leger an den Laternenpfahl. Und schön das Buch hochhalten, damit man auch den Titel erkennt. Gucken Sie mal nicht in die Kamera, tun Sie einfach, als ob Sie lesen.«
    »Finden Sie es nicht reichlich albern, hier im Wintermantel mitten auf der Straße so eine Art Lesung vorzutäuschen? Das nimmt Ihnen doch kein Mensch ab.«
    »Lassen Sie mich nur machen, ich weiß genau, was bei unseren Lesern ankommt.«
    Am nächsten Tag entdeckte ich mich dann wirklich auf Seite 7. Der Kopf war gar nicht ganz drauf, vom Buchtitel konnte man bestenfalls die letzten beiden Silben entziffern, und das Straßenschild war überhaupt nicht zu sehen.
    Frau Schöninger strahlte, als sie mich wieder in Empfang nahm. »Na, das ist doch alles ganz prima gelaufen.« Woher sie das wissen wollte, war mir schleierhaft, aber die Erklärung kam sofort. »Die beiden Jungs von BILD waren ganz begeistert, weil Sie alles mitgemacht haben.«
    Ach so! Ich hätte also ohne weiteres gegen diese blödsinnigen getürkten Aufnahmen protestieren können? Das hätte mir aber wirklich jemand vorher sagen können!

6
    Im Zimmer schleuderte ich als erstes die hochhackigen Schuhe in die Ecke. Meine Füße brannten wie Feuer. Ich war einfach nicht mehr daran gewöhnt, den ganzen Tag auf solchen Stelzen herumzulaufen. Zu Hause trug ich zum Entsetzen der Mädchen fast nur ausgelatschte Treter, mit denen ich noch vor ein paar Jahren freiwillig nicht mal zum Milchholen zu unserem Bauern gegangen wäre. »Du wirst alt, meine Liebe«, sagte ich zu meinem Spiegelbild, während ich die Füße abwechselnd unter die Wasserleitung hielt, »du legst mehr Wert auf Bequemlichkeit denn auf Eleganz.«
    Aber das Schlimmste stand mir noch bevor. Als ich mir für den heutigen Abend das schicke Jackenkleid kaufte, hatte ich nicht daran gedacht, daß die Mode für diese Saison Grün mit Blau

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