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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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stillen Kämmerlein abhörte, hätte ich mich noch nachträglich am liebsten in irgendeiner Ecke verkrochen. Dreiundzwanzigmal »Äh« und siebzehn unmotivierte Pausen, die dem Zuhörer zweifellos den Eindruck vermittelt haben, ich sei vielleicht des Schreibens, auf keinen Fall aber des Sprechens kundig. Trotzdem versicherte mir Herr Kronenburger, ich hätte das alles sehr schön gemacht, und damals hab ich es ihm sogar geglaubt.
    Herr Kokiarski von der BZ wartete schon. Ihm wurde ich allein überantwortet, deshalb verzogen wir uns in einen Winkel des Speisesaals, denn zwei Scheiben Toast morgens um fünf sind keine ideale Grundlage für literweise Kaffee und eine halbe Flasche Sekt. Während ich mit einer zähen Königinpastete kämpfte, blätterte mein Gegenüber in einem mitgebrachten Exemplar der »Pellkartoffeln«. Gelesen hatte er es offenbar nicht, denn er studierte zunächst die Inhaltsangabe, überflog mehrere Seiten, dann legte er das Buch wieder weg. »Nun weiß ich Bescheid.«
    Da war ich mir nicht so sicher, zumal seine Fragen mehr allgemeiner Natur waren (Wann schreiben Sie? Warum schreiben Sie? Wie alt sind Ihre Kinder?), aber ich beantwortete sie brav und bemühte mich, auch dann noch höflich und liebenswürdig zu bleiben, als es hieß: »Und nun machen wir noch ein hübsches Foto. Am besten dort drüben am Fenster.«
    Unter dem erstaunten Blick des Kellners – »Würden Sie bitte die Vase zur Seite rücken, sie stört!« – also Szenenwechsel, zunehmendes Interesse der übrigen Gäste, zwei kurze Blitze, dann war auch das erledigt. Am nächsten Tag konnte ich mein Konterfei in der Zeitung bewundern. Ich sah aus, als trüge ich nach einem Halswirbelbruch einen Gipsverband.
    Zwischen dem Abgang von Herrn Kokiarski und dem Erscheinen der Herren Bild-Reporter blieb mir gerade Zeit genug, endlich mein Zimmer zu beziehen, den Koffer auszupacken und Irene anzurufen. Wir kennen uns seit dem ersten Schultag, haben gemeinsam die unfreiwillige Emigration nach Ostpreußen durchgestanden, haben zusammen die erste selbstgedrehte Zigarette aus geklautem Machorka geraucht, haben sowohl Pausenbrote als auch unsere spärliche Garderobe geteilt und für Cary Grant geschwärmt. Wir haben sogar im selben Jahr geheiratet, aber dann habe ich sie überflügelt. Während sie nur zwei Kinder großzuziehen hatte, war ich mit fünfen beschäftigt, was die bis dahin recht rege Kommunikation zwischen uns etwas zum Erliegen gebracht hatte. Ab und zu ein Anruf, eine Karte aus dem Urlaub, und wenn’s hoch kam, auch mal ein Brief. Gesehen hatten wir uns seit Jahren nicht mehr, aber natürlich hatte ich sie über meinen Besuch hier in Berlin informiert und die Hoffnung geäußert, mich wenigstens für ein paar Stunden vom offiziellen Programm loseisen zu können. Jetzt hatte ich sie an der Strippe.
    »Irene, du kommst doch heute abend? Ich brauche jemanden zum Händchenhalten.«
    »Natürlich komme ich. Glaubst du, ich lasse mir deinen großen Triumph entgehen? Immerhin bist du die erste von uns, die mehr als nur lokale Berühmtheit erreicht hat.«
    »Stimmt ja gar nicht. Denk nur mal an Irmchen.« Irmchen hatte es sogar bis zur Staatssekretärin gebracht und war neulich erst im Fernsehen interviewt worden.
    »Na, wenn schon«, sagte Irene, »was ist schon schnöde Politik gegen die hehre Kunst des Bücherschreibens? Deine Memoiren haben mir übrigens großartig gefallen. Ich hab mal wieder festgestellt, daß Lebenserinnerungen eine prima Gelegenheit sind, die Wahrheit über andere zu sagen. Hast du eigentlich keine Angst, daß heute abend jemand mit Tomaten schmeißt?«
    »Deshalb brauche ich ja seelischen Beistand.«
    »Kriegst du! Soll ich Hans auch mitbringen?«
    »Selbstverständlich. Je mehr auf meiner Seite sind, desto besser.« Hans war Irenes Mann und sah genauso aus wie das, was er war: Selfmademan.
    Kaum hatte ich den Hörer aufgelegt, fing der Apparat zu bimmeln an. Der Portier war dran. Die Herren von der Bild-Zeitung seien da, und ob ich herunterkäme.
    Ein letzter Blick in den Spiegel – hätte ich lieber bleibenlassen sollen, was ich da sah, war nicht gerade umwerfend –, und dann ab in die Arena.
    Zwei männliche Twens, einer davon mit der obligatorischen Kamera vorm Bauch, standen wartend neben dem Lift. »Frau Sanders? Würden Sie wohl bitte Ihren Mantel holen? Wir möchten Sie nämlich entführen.«
    »Wohin denn?«
    »Lassen Sie sich überraschen.«
    »Ich muß aber spätestens um sechs…«
    »In einer

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