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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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vorzustellen. Man könne sie natürlich auch käuflich erwerben, der Preis sei unter dem jeweiligen Gemälde angebracht. Und wenn wir ihm nun bitte in die oberen Räume folgen würden…
    Wir folgten so ziemlich als letzte in der Hoffnung, die Menschenmassen würden sich inzwischen ein bißchen verteilt haben. Im ersten Raum hing etwas Braunes, ungefähr vier mal sechs Meter groß, das im wesentlichen aus gespachtelten Flächen bestand.
    »Du liebe Zeit«, sagte Frau Mertens erschrocken, »der muß die braune Ölfarbe zum Großhandelspreis gekriegt haben. Was soll das überhaupt darstellen?«
    Ich beugte mich zu dem kleinen weißen Schild. »Impressionen«, las ich, »kostet siebzehntausend Mark.«
    »Kein Wunder, wenn man seine Arbeit pro Quadratmeter verkauft.« Kopfschüttelnd ging sie weiter.
    Es folgten noch viele Impressionen, die sich alle irgendwie ähnelten, auch wenn sie in der Farbe voneinander abwichen. Dann gab es noch ein paar Variationen genannte Werke in Braun und Grün, aber in einer Ecke entdeckten wir schließlich ein kleines, überwiegend in Gelb gehaltenes Bild, das als »Sonne am Meer« bezeichnet würde.
    »Soll das nun ein Sonnenaufgang sein oder ein Sonnenuntergang?« rätselte Frau Mertens.
    »Sonnenuntergang«, sagte ein junges Mädchen neben ihr. »Ich kenne den Maler, so früh steht der nie auf.«
    Das unziemliche Gelächter brachte uns vernichtende Blicke und wenig schmeichelhafte Bemerkungen ein, so daß wir schleunigst die Flucht ergriffen, den angrenzenden Saal vorsichtshalber ausließen und den nächsten betraten. »Hier waren wir schon.« Frau Mertens zeigte zum Fenster. »Ich erinnere mich an die zerrissene Gardine.«
    Offenbar hatten wir unseren Rundgang beendet. Da uns keins der Werke zum Kauf gereizt hatte, obwohl es sogar welche unter tausend Mark gab, und der Sekt immer schaler schmeckte, entschlossen wir uns zur Heimkehr.
    »Malen ist die Kunst, glatte Flächen wetterfest zu machen und sie gleichzeitig der Kritik auszusetzen«, sagte Frau Mertens, nachdem wir uns durch brezelkauende, fachmännisch diskutierende Gruppen und Grüppchen zum Ausgang gekämpft hatten. »Also mein Fall ist der Schöpfer dieser Monumentalgemälde jedenfalls nicht!«
    »Meiner auch nicht«, pflichtete ich ihr bei. »Gehen wir noch irgendwo was trinken?«
    »Kann leider nicht, muß nach Hause! Oskar hat Bauchweh und heute schon zweimal die Küche vollgekotzt.«
    Oskar war der Abkömmling eines Hirtenhundes, vermischt mit ein bißchen Pudel, sah aus wie ein wandelnder Flokati und hatte eine Vorliebe für Nahrungsmittel, die ihm nicht bekamen.
    »Macht ja nichts, es ist sowieso spät genug. Gleich elf. Hoffentlich liegen die Gören wenigstens schon im Bett.«
    Sie lagen nicht. Oder wenigstens nicht alle. Als ich ins Wohnzimmer kam, bot sich mir ein merkwürdiges Bild. Auf dem Fußboden saßen vier Gestalten, die ich in dem diffusen Licht der zwei Kerzen erst nach mehreren Sekunden als männlichen Geschlechtes identifizieren konnte, und qualmten. In der Luft hing ein eigenartig süßlicher Geruch.
    »Hi, Määm«, sagte Sascha, »wieso bist du schon zurück?«
    »Was heißt schon? Mir scheint, ich hätte viel eher kommen müssen. Wer sind diese Knaben überhaupt? Müßte ich sie kennen?«
    »Das ist Klaus.« Mein Sohn zeigte auf einen krausköpfigen Jüngling mit Fünftagebart, der lässig seinen Arm hob und mich auf diese Weise begrüßte. Im Laufe der Jahre hatte ich mich zwar daran gewöhnt, daß die Freunde meiner Nachkommen grundsätzlich keine Familiennamen hatten, auch das von Sven abfällig als »Pfötchengeben« bezeichnete Händeschütteln war bei Jugendlichen aus der Mode gekommen, aber meistens pflegten sie bei der Begrüßung irgend etwas zu grunzen, was man bei viel gutem Willen als Anzeichen von Höflichkeit auslegen konnte.
    Klaus tat nicht einmal das.
    »Der neben dem Tischbein ist Hanno, bei dem habe ich in der Schule immer abgeschrieben, und Wolfgang solltest du eigentlich noch kennen. Immerhin waren wir mal ziemlich dicke zusammen«, beendete Sascha die Vorstellung.
    Stimmt, an Wolfgang konnte ich mich erinnern, nur hätte ich ihn nie wiedererkannt. Seinerzeit hatte er kurze schwarze Haare gehabt, jetzt waren sie braun und schulterlang. Vom Gesicht konnte ich nicht viel sehen, denn was nicht von den Zotteln verdeckt war, verschwand hinter einem Seehundsbart.
    »Hi!« sagte Wolfgang und versank wieder in den Dämmerzustand, aus dem ich ihn offenbar aufgescheucht hatte, Kopf an der

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