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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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hatten sich in den letzten zwanzig Jahren die Methoden der Feuilleton-Redakteure noch immer nicht geändert, und die kannte ich bestens. Nicht umsonst hatte ich lange genug bei solch einem Verein mitgemischt.
    Seinerzeit pflegte Herr Dr. Lachmann, zuständig für Kulturelles, zwei- bis dreimal jährlich alles um sich zu versammeln, was des Lesens und Schreibens kundig war; sogar Mitglieder der Besenbrigade blieben nicht verschont und sahen sich unverhofft in die gehobene Position eines Rezensenten versetzt.
    »Hier, Frau Lobkowitz, nehmen Sie das mal! Sie haben mir doch erzählt, Ihr Mann züchtet Brieftauben? Das Buch handelt zwar von Hühnern, aber Federn haben die auch. Schreiben Sie was darüber, dann können Sie es behalten. Fünf Zeilen genügen.«
    Oder: »Haben Sie nicht mal Medizin studiert, Herr Petersen?«
    »Ja, aber bloß zwei Semester.«
    »Macht nichts, ein bißchen was wird wohl noch hängengeblieben sein. Da sind drei Ärzteromane, die liegen schon seit Monaten bei mir herum und müssen endlich raus. Jedesmal, wenn mir der Kreisler von der Anzeigenabteilung über den Weg läuft, macht er mir die Hölle heiß. Der Verlag will nur weiter inserieren, wenn wir seine Werke auch besprechen. Also tun Sie es! Aber nicht mehr als höchstens acht Zeilen pro Schmarrn!«
    Mir drückte Dr. Lachmann gerne Liebesromane in die Hand. »In Ihrem Alter ist man dafür doch noch empfänglich, nicht wahr?« Ich war gerade zweiundzwanzig und Agatha-Christie Fan. Trotzdem las ich mich gewissenhaft durch die Schnulzen und stellte sehr schnell fest, daß dieses Thema von Land zu Land anders abgehandelt wurde. In amerikanischen Romanen lieben er und sie sich von Anfang an, kriegen sich aber erst auf der vorletzten Seite. Bei den Italienern finden er und sie sich gleich zu Anfang, wollen dann aber bis zum Schluß nichts mehr voneinander wissen. Bei den Franzosen sind sie ebenfalls gleich ein Paar, und dann geht’s bloß noch um die Frage, wie man es ihrem Mann beibringen soll. Einmal hatte ich sogar einen russischen Roman erwischt; da mochten er und sie sich nicht, haben aber doch geheiratet und die restlichen dreihundert Seiten nachgegrübelt, warum.
    Als ich eines Abends meine Teilnahme an dem geplanten Altstadtbummel ablehnte, weil ich noch das letzte Drittel »Früher Frühling« durchackern müsse, erntete ich bei meinen Kollegen brüllendes Gelächter.
    »Willst du etwa sagen, du liest die Bücher?«
    »Selbstverständlich. Wie soll ich sonst darüber schreiben?«
    »Ach, du ahnungsloser Engel! Über den Inhalt informierst du dich durch den Klappentext, und wenn du besonders gewissenhaft sein willst, dann guckst du auch mal innen rein. Meistens genügen ein paar Absätze, und du weißt, ob der Autor ein Macho ist oder die sentimentale Schreibe bevorzugt. Mehr brauchst du für deine zehn Zeilen nicht zu wissen. Am besten tippst du fünfzehn, damit der Lachmann welche wegstreichen kann. Das gehört zu den Privilegien eines Redakteurs und hebt sein Selbstbewußtsein.«
    Als Volontärin war ich für die Ratschläge erfahrener Mitarbeiter natürlich dankbar, selbst wenn ich ihre Methode der Buchbesprechungen für etwas fragwürdig hielt. Ich hab mich auch immer bemüht, wenigstens die Hälfte jedes Romans zu lesen, bevor ich mich dazu äußerte. Fast immer positiv, denn ich durfte die Bücher behalten und bekam auf diese Weise für die gesamte Verwandtschaft meine Weihnachtsgeschenke zusammen. Onkel Henri hat jahrzehntelang den Bildband über Tabakspfeifen in Ehren gehalten, obwohl er überzeugter Nichtraucher gewesen war.
    Dieses Buch mußte mir wohl aus Versehen zugeteilt worden sein, denn wir subalternen Mitarbeiter bekamen nur die unverlangt zugeschickten Verlagserzeugnisse, während die gehobene Literatur in den Schränken der Redakteure verschwand. Deren Rezensionen durften auch viel ausführlicher sein, was allerdings voraussetzte, daß sie die Bücher lasen. Hätte ich bei Steinbeck oder Norman Mailer auch gern getan, aber an so etwas kam ich gar nicht erst heran. In einem Anflug von Großmut schenkte mir Dr. Lachmann die Neuauflage von Gustav Freytags »Ahnen«. Er hatte sie schon. Ich auch. Wir hatten sie mal in der Schule behandelt.
    »Haben Sie das Buch denn später noch einmal gelesen?«
    »Nee, das ist Pflichtlektüre gewesen, da kriegt mich freiwillig keiner mehr ran!«
    »Es ist immer dasselbe mit den Klassikern«, meinte er bekümmert, »jeder lobt sie und keiner liest sie.« Dann legte er mir noch Vicky Baum

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