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Das Hagebutten-Mädchen

Das Hagebutten-Mädchen

Titel: Das Hagebutten-Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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konnte, würde sie das flache Päckchen irgendwo anders verschwinden lassen. Vielleicht im Garten vergraben. Und wenn das kostbar beschriebene Papier dort verrottete? Einige Jahre würde es sicher unangetastet an Ort und Stelle liegen bleiben. Besser nicht in die Erde. Vielleicht zwischen Michels Babysachen? Und wenn Gerrit die Kleidung für sein noch ungeborenes Kind holte? Es gab auch die Möglichkeit, den Schatz bei einem Notar auf dem Festland zu hinterlegen…
    Wieder ein Schuss. Wieder am Deich. Sie sollte mal nachschauen gehen, was dort vor sich ging, jeder würde sich sonst später fragen, warum sie sich nicht dafür interessiert hätte. Und sie wollte nicht, dass irgendjemand Fragen dieser Art stellte.

Sonntag, 21. März, 14.28 Uhr
    B onnhofen hatte diskret schon einen Kugelschreiber auf die vorbereitete Vereinbarung gelegt und das Ganze ein paar Zentimeter über den Tisch geschoben. Ein, zwei Minuten würde es noch dauern, aber dann stand die Unterschrift des Bürgermeisters und des Kassenwartes auf diesem Stück Papier. Rechtlich natürlich noch nicht verbindlich, aber in jedem Fall ein großer Schritt in die richtige Richtung und ein Dokument, schwarz auf weiß, welches sich noch heute Abend hervorragend nach München faxen ließ. Sein Klient sollte merken, dass er nicht untätig auf der Insel hockte und auf den gefürchteten Anruf wartete.
    Er tippte nochmals an den Rand des Papiers, der Bürgermeister verstand die Geste, schob seine Teetasse zur Seite und griff nach der Vereinbarung. »Also von mir aus«, sagte er selbstgefällig. »Die Damen und Herren des Gemeinderates müssen natürlich auch noch ihr O.K. dazu geben, aber ich denke, wir als Verwaltung können die Beratungsvorlagen bereits insofern vorbereiten, dass die Argumente für jeden überzeugend sind!«
    »Eine sicher willkommene Finanzspritze für den Haushalt, denken Sie nur an die Kosten für die neue Konzertmuschel auf dem Kurplatz«, redete Bonnhofen auf ihn ein und bekam, wie erwartet, ein überzeugtes Nicken als Antwort. »Noch dazu haben Sie ab jetzt keine Verantwortung mehr zu tragen für das Grundstück, auf dem das Inselhuus steht. Gärtner und Anliegeraufwendungen, die Verhandlungen mit dem Heimatverein über die Kaufabwicklung, all dies können Sie getrost mir und meinen Leuten überlassen, während Sie sich den wichtigen Dingen auf Juist zuwenden!«
    »Jaja, ich sehe schon, Sie kennen den Job!«
    »Ich möchte nicht mit Ihnen tauschen, Herr Bürgermeister!«
    »Wie schön, dass endlich einmal jemandem auffällt, dass ich mehr mache, als nur in meinem Büro zu sitzen!« Er nahm den Stift in die Hand. »Dann wollen wir mal.«
    In diesem Moment flogen die Türen auf und zwei Frauen stürmten in das Kaminzimmer. Auf dem Flur hörte man das aufgeregte Gerede vieler Menschen. »Am Deich ist geschossen worden!«
    »Man sagt, der Henner Wortreich ist tot! Vom Polizisten erschossen! Drei Kinder haben es beinahe mit ansehen müssen, die Theatergruppe von Wangerooge war auch ganz in der Nähe.«
    »Angeblich soll der Sanders einfach drauflos geballert haben!«
    Der Bürgermeister sprang auf. Bonnhofen schaute heimlich in Richtung Vertrag. Er war noch nicht unterschrieben. Mist!
    »Das kann ich mir aber nicht vorstellen! Herr Sanders ist ein ausgesprochen sachlicher, besonnener Polizeibeamter. Er soll wirklich…?«
    »Zwanzig Meter Entfernung! Mitten ins Herz!«
    »Gibt’s ja nicht!« Auf dem Weg hinaus drehte sich der Bürgermeister nur kurz um. »Wir müssen ein anderes Mal weitermachen, Herr Bonnhofen, ich bin mir sicher, Sie haben dafür Verständnis!« Und dann eilte der Zweimetermann aus dem Zimmer, hinter ihm der Kassenwart.
    Es war wieder still. Bonnhofen saß ganz allein am Tisch. Was war da eben so schnell passiert? Was hatte ihm da in letzter Sekunde einen solch gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht?
    Zum ersten Mal beschlich Bonnhofen das mehr als unangenehme Gefühl, dass er es vermasseln würde. Dass all dieser Aufwand umsonst gewesen war. Angefangen bei dieser dämlichen Shanty-Singerei, zu der er sich hatte hinreißen lassen, um sich unauffällig der Juister Vereinswelt zu nähern. Aber auch diese Falschaussage im Polizeirevier, um die Schiffsabfahrt zu verzögern, für die Katz. Alles aus! Sogar sein allerletzter Besuch in Kai Minnerts Laden, als er den Erbosten hatte beruhigen wollen, nachdem die Sache mit Claus-Bodo Johannsen aufgeflogen war, sogar diese Aktion erschien im Nachhinein ziemlich überflüssig.

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