Das Hagebutten-Mädchen
Sie, Sanders, was ist mit Frau Tydmers los, ich versuche schon seit Stunden, sie zu erreichen.«
»Wir hatten einige, hm… nicht nur einige, wir haben hier einen Haufen Probleme!«
Es war merkwürdig, die bekannte Stimme aus Oldenburg zu hören, ganz weit weg waren die Kollegen, die auf dem Festland am Rand mit diesem Fall beschäftigt waren. Sanders hatte sie rundweg vergessen in den letzten Stunden. »Es gab einen weiteren Toten.«
»Ach, oh, Scheiße!«
»Ich war’s!«
Einen Moment hörte man nur das tiefe Einatmen am anderen Ende der Leitung. »Sanders, hey, tut mir Leid. Sie sind ein sehr gewissenhafter Polizist, das wissen wir hier alle, Sie hatten sicher einen dringenden Grund, so zu handeln.«
»Danke, dass Sie mich trösten wollen, Rieger, aber ich komme damit schon klar. Ich bin okay! Frau Tydmers hat es härter getroffen, sie stand daneben, wurde von der Person bedroht, da habe ich eben…« In diesem Moment spürte Sanders zum ersten Mal, dass er alles andere als okay war. Was hatte er getan?
»Deshalb geht sie wahrscheinlich nicht an den Apparat, kann ich verstehen. Hören Sie, vielleicht brauchen Sie meine Informationen ja dann gar nicht mehr, aber wir haben die Fingerabdrücke aus dem Laden teilweise identifiziert.«
Fingerabdrücke? Himmel, wie weit war das alles entfernt. »Wir haben allein an der Fensterrückwand knapp zwanzig verschiedene Abdrücke gefunden, kein Wunder, in einem relativ engen Raum kommt man schon mal an die Wand, die meisten waren auch nicht in unserem Computer gespeichert. Nur drei Abdrücke konnten wir zuordnen, sie stammten vom Mordopfer selbst und außerdem von einem ehemaligen Scheckbetrüger aus Bocholt. Der hat allerdings ein bombensicheres Alibi, da er seit zwei Wochen in Kur im Schwarzwald ist. Das haben wir bereits überprüft. Diese beiden Ergebnisse sind also uninteressant für Sie.«
»Und das letzte?«
»Könnte da schon eher was hergeben. Kennen Sie einen Tjark Bonnhofen?«
»Immobilienmakler aus Norderney?«
»Dann kennen Sie ihn also!«
»Er hat als Zeuge eine wichtige Aussage gemacht, die sich bislang nicht als unwahr herausgestellt hat. Im Gegenteil, er hat mit seinen Angaben unsere Ermittlungsarbeiten vorangetrieben.«
»Ist ein gewitzter Bursche, dieser Bonnhofen. Was meinen Sie, warum wir ihn in unserer Kartei führen?«
»Betrug?«
»Nein, was anderes. Er ist bei verschiedenen rechtsradikalen Versammlungen gesehen worden. Angeblich war er zwar nur aus geschäftlichem Interesse bei den Treffen der braunen Kameraden, aber die Kollegen von der inneren Sicherheit haben ihn mal in München bei einer nicht genehmigten Zusammenkunft unter die Lupe genommen, und dabei sind seine Fingerabdrücke bei uns gelandet.«
»Das ist tatsächlich interessant!«
»Ach, und noch etwas: An etlichen Stellen ist herumgewischt worden. Die Fingerabdrücke, die wir sichern konnten, waren nicht in der Nähe des Griffes. Denn dort sind alle Spuren gründlich vernichtet worden. Mit einem Mikrofasertuch. Die Kollegen haben bei der Tatortsicherung keinen solchen Lappen gefunden. Der Täter wird ihn mitgenommen haben.«
»… oder die Täterin!«, fuhr Sanders fort. »In jedem Fall können wir nun mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Tür mit krimineller Absicht geschlossen wurde. Ein Witzbold, der Minnert nur eins auswischen wollte, hätte nicht seine Fingerabdrücke abgewischt.«
»Und Ihre neue Leiche? Ist es der Täter?«
Sanders hatte noch nicht wirklich abschließend darüber nachdenken können. Ihm war es zunächst nur darum gegangen, Wencke aus der brenzligen Situation zu befreien. Vielleicht wusste sie mehr darüber, ob Henner Wortreich der Täter war. Und Tjark Bonnhofen, warum auch immer? Oder doch Astrid Kreuzfeldt, der er so etwas nicht zugetraut hätte? Eventuell hatte sie auch einen Komplizen, ihren Mann vielleicht, Gerrit Kreuzfeldt?
»Rieger, ich danke Ihnen vorerst. Wenn Sie den Toten bei sich in Oldenburg auf dem Tisch haben, dann lassen Sie mich bitte wissen, ob seine Fingerabdrücke ebenfalls auf der Schaufensterwand zu finden waren. Und ich werde mich in der Zwischenzeit um einige weitere Beweismittel kümmern. Vielleicht können wir ja noch einige Indizien und die Fingerabdrücke aller Beteiligten zusammentragen und Ihnen zur Verfügung stellen, wenn Ihr Team wieder auf die Insel kommt wegen des zweiten Toten.«
»Aber bitte, zuerst sollten Sie nun dringend mit Wencke Tydmers reden! Wahrscheinlich ist sie ein wenig fertig von den
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