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Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Titel: Das halbe Haus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Cynybulk
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schon der Peitschenknall. Kupfer platzt aus dem Block, schnellt in die Bahn, seine Arme sicheln, seine Füße betupfen die feuchte Asche, die hinter ihm wegspritzt und auf Jakobs Schienbeine prasselt. Schnell hat er zwei, drei Schritte Vorsprung, und Jakob merkt, wie auch die anderen rechts und links in sein Gesichtsfeld laufen, ihn überholen. Das hier geht schief, denkt er und spürt plötzlich sein Herz im Hals. Er ruft sich in Erinnerung, dass auch er zwei Arme und zwei Beine hat. Wenn er gleichzeitig Reiter und Pferd ist, wie der Trainer mal gesagt hat, dann hat er auch Sporen, die er sich jetzt geben muss. Ein bisschen Boden kann er tatsächlich gutmachen. Aus dem Augenwinkel sieht er das Blau-Weiß von Kößling und Krüger. Sie sind jetzt in einer Reihe, Kupfer läuft gerade und leicht, vielleicht kommen sie noch ran, und dann ist das Rennen vorbei, sie rudern mit den Armen, trudeln scharrend aus, schon vorbei. Sie holen sich die verausgabte Luft zurück, schnappen frische, kühle Luft, während Kupfer längst zum Zielbereich stolziert, wo die Kampfrichter und die Fremden ihre Zeiten vergleichen, bis einer verkündet: »Sagenhafte sieben Komma acht«, worauf sich Kupfer zu den drei Straßenbahnern aus dem ersten Lauf des alles entscheidenden Mehrkampfs umdreht und laut und deutlich sagt: »Ihr alle seid unhaarig.«
    »Pack zusammen und mach die Biege«, sagt der Trainer. Mit hängenden Köpfen sitzen die Straßenbahner in der Kabine. Er hat sieben Zehntel an Kupfer abgegeben. Sieben Zehntel im Sprint, das ist keine Meerenge, das ist ein Ozean. Er hätte nicht auf Kupfer achten dürfen und einfach so für sich acht Komma eins laufen müssen, eine neue Bestzeit. Aber mit seinen acht fünf hat er schon jetzt keine Chance mehr. Kößling, Triebe und Krüger sind im Bereich ihrer Möglichkeiten geblieben, Smoktun ist sogar acht null gerannt, nur er hat’s versiebt. »Zieh dich um«, sagt der Trainer, »und gib deine Startnummer beim Kampfgericht ab.«
    Als alle weg sind, löst er die Sicherheitsnadeln von seiner Nummer, der 21. Die 21 – eine Verwandte der magischen Sieben, die Siegessumme beim Siebzehn-und-Vier, die unschlagbaren Augen beim Würfeln – hat nicht gehalten, was sie versprach. Eigentlich ist er ein guter Hürdenläufer, auch wenn die Narben an seinen Knien anderes behaupten, doch heute wird seine Zeit auf der Strecke bleiben, und niemand sammelt sie ein.
    War das ein Straucheln und Stürzen, als sie zum ersten Mal Hürden gelaufen sind, vor vier Jahren. Wie die Albatrosse stolperten sie durch die Zwischenräume, knickten ihre Flügel, flatterten über die Hindernisse und landeten rumpelnd. Die Ängstlicheren trippelten von Hürde zu Hürde und stiegen mehr darüber, als dass sie hüpften, die Waghalsigeren ließen sich vom Taumel mitreißen, bis eine Hürde dem Taumel ein Ende setzte. Am Ziel wartete der Trainer mit Watte und Jod.
    Im Lauf der Jahre hat er ihnen die Kunst des Hürdenlaufens nähergebracht. Wo es beim Sprint nur den Wunsch vom Fliegen gebe, komme beim Hürdenlauf ein zweites Element tatsächlich zur Geltung: die Luft. Neben der Bodenarbeit gehe es um ein Flugverhalten, das der Bodenarbeit wieder zugutekommen müsse, und umgekehrt. Mitnichten sei die Überquerung der Hürde als Fortsetzung des Laufens zu verstehen. Vielmehr finde beim Hürdenlauf die Vermählung von Erde und Luft, Laufen und Fliegen statt. Das wahrhaftig zu begreifen dauere Jahre und Jahrzehnte, selbst Munkelt habe es wahrscheinlich erst in Moskau ganz kapiert, wo er mit dreizehn neununddreißig Olympiasieger wurde, allerdings unter Ausschluss des Westens.
    Die anderen und er hatten immerhin so viel verstanden, dass sie im Lauf der Jahre Medaillen und Rekorde erringen konnten. Sie flattern nun nicht mehr über die Hürden, sondern ziehen nach beherztem Abdruck flach über die sechsundsiebzig Komma zwei Zentimeter hohen Hindernisse, den Gegenarm lang über dem Schwungbein, den linken am Steiß, mit gedehntem Oberkörper, sodass sie ihr Knie knutschen könnten, und das rechte Bein muss für den Augenblick so gleichwinklig und statisch sein, als habe Pythagoras seine Hand im Spiel, bevor dann das Schwungbein auf die Bahn peitscht, der tote Winkel wiederbelebt wird, sich der Oberkörper aufrichtet, ohne den Körperschwerpunkt nach hinten zu verlagern, die Arme ihre Arbeit für die Dauer von drei abgemessenen Schritten aufnehmen, bis zur nächsten Hebung, zum nächsten Flug, denn das ist das Versmaß des

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