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Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Titel: Das halbe Haus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Cynybulk
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gewiss an den Bananen liegt.
    Der Mann und die Frau von der KJS gehen zum Balken, über dessen Mitte der erste Kampfrichter das Bandmaß strafft. Der Trainer und Kupfer kommen hinzu. Der Kampfrichter hebt den Kopf und ruft etwas, aber sein Gehör ist noch immer fort. Die Fremden schreiben seine Weite in ihre Kladden, Kupfer dreht ab, und sein Trainer lächelt.
    Er sieht zu Leo, die lautlos klatscht. Er bedankt sich still beim Wind, der nur ganz kurz aufbrausen musste und sich schon wieder gelegt hat.
    Im Mai, als sie einen kleinen Ausflug nach Sandau machten, am Ende des Tags der Befreiung, der mit Blütenwünschen und Saitenklängen im Auto so schön begonnen hatte und dann so unbegreiflich verhallt war, hatte er sich neben Leo in einem Bett auf einer geblümten Überdecke wiedergefunden, wie die Goldmarie neben der Pechmarie, nachdem sie gemeinsam durch einen tiefen Brunnenschacht gestürzt und auf einer Blumenwiese aufgewacht waren.
    Er hatte sich gezwungen, an dem fremden Mädchen vorbeizudenken. Sie lagen in Kleidern auf dem Bett. Irgendwann kroch das Mädchen unter die Decke und zog sich raschelnd um, während er seine Sachen anbehielt. Keiner stand auf, um das Licht zu löschen. Sie schwiegen, und sie schliefen nicht. Er hörte ihren Atem. Ihm wurde warm. Er roch das Mädchen. Es roch wie eine Katze. Dann sah er den Fuchs.
    Im Garten liegt ein Fuchs im Gras. Er hat die Größe eines Hundes, aber es ist ein Fuchs. Rot das Fell, bestäubt die Schnauze. Er liegt im Gras und betrachtet den Jungen. Der ruft seinen Vater. Der Vater solle den Fuchs fotografieren. Doch der Vater öffnet den Apparat und zieht den Film heraus, ein störrisches Band, das sich um sein Handgelenk und seinen Unterarm rankt. Du musst den Fuchs fotografieren, ruft der Junge, aber der Vater geht zum Haus. Die Türen und Fenster des Hauses stehen sperrangelweit offen. Wasser rauscht. Offen stehen die Türen und die Fenster. Der Junge dreht sich zum Garten. Der Fuchs ist fort. Ein Fuchs war in unserem Garten. Die Türen, die Fenster. Wasser rauscht.
    Es ist das Mädchen, das am Waschbecken hantiert. Er sieht den blonden Haarwirbel auf dem Pol ihres Hinterkopfs. Er hatte einmal von einem Kind gelesen, dessen Fontanellen nicht zugewachsen waren, sodass die Welt in dessen Schädel dringen konnte. »Was machst du da?«, fragt er. Sie fährt herum, ihr Nachthemd ist nass. Er schwingt sich aus dem Bett. Ein roter Faden läuft über ihr Bein.
    »Was hast du denn getan?«
    »Ich habe gar nichts getan.«
    »Hast du dich geschnitten?«
    »Lass mich.«
    Er geht auf sie zu. Sie ist ein wenig größer als er, wohin sollte sie ausweichen. »Lass mich«, sagt sie.
    Am Becken hängt der Waschlappen mit dem Monogramm seiner Mutter. Er seift den Lappen ein, hält ihn dem Mädchen hin. Er hockt sich auf das Bett und sieht sie an. Helle Härchen wachsen auf ihren Schienbeinen. Dann dreht er sich um. »Du musst es stillen«, sagt er, »du musst etwas auf die Wunde pressen.« Indem er das sagt, wird ihm bewusst, dass er gar nicht weiß, wo sich die Wunde befindet. »Ich hole deine Mutter«, sagt er.
    »Lass mich«, sagt sie, aber er ist schon aus der Tür auf den dunklen Gang getreten.
    Nach dem Ballwurf ist es da: das alte Arschloch Angst. Am Ende des Weitsprungs sieht alles noch rosig aus. Kupfer und er haben exakt dieselbe Punktzahl, und da Kupfer eher ein Sprinter-Springer-Typ ist und er selbst ein Springer-Werfer-Typ, wird sich sein Vorsprung bei der nächsten Disziplin, dem Ballwurf, noch vergrößern. Denken alle, denkt er. Und das ist auch nötig, denn Kupfer ist wiederum der bessere Mittelstreckler, das heißt, er braucht einen soliden Vorsprung vor den Achthundert. Doch dann drischt Kupfer den Schlagball über die Siebzig-Meter-Marke. Einfach so. Mit einem Schrei schleudert er den Ball nah ans Ende des Rasenfelds, sodass die Weitenmesser zum Abdruck rennen und ihn suchen müssen. Vor Freude tritt Kupfer gegen die Hochsprungmatte, unaufhörlich. Der Trainer studiert die Ergebnislisten von dieser Saison und aus den vergangenen Jahren, er schlägt mit dem Handrücken darauf und geht kopfschüttelnd auf den Mann mit dem Strohhut zu. Jakob sieht, dass sich sein Vater und die Lady umarmen und küssen, Leo ist nirgends zu sehen. Eine flirrende Unruhe breitet sich in seinem Körper aus. Er muss aufs Klo zum Kotzen.
    Zwei Männer sind in der Kabine und reden. »Was soll das, Bruno?«, sagt der eine. – »Du weißt genau, was ich meine, Gustav«, der andere.
    Jakob

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