Das Halsband der Koenigin 2
Umstehenden.
»Ja, der Neffe des Herrn von Suffren.«
Diese Worte brachten eine magische Wirkung hervor. Herr von Charny war in einem Augenblick von Riechwasser übergossen, nicht mehr, nicht minder, als befände er sich unter zehn Frauen. Ein Arzt wurde gerufen, er untersuchte rasch den Kranken.
Neugierig bei jeder Wissenschaft und mitleidig bei jedem Uebel, wollte der König sich nicht entfernen; er wohnte der Consultation bei.
Die erste Sorge des Arztes war, daß er die Weste und das Hemd des jungen Mannes zurückschob, damit die Luft seine Brust berührte; während er aber dieß that, fand er, was er nicht gesucht hatte.
»Eine Wunde,« sagte der König, seine Theilnahme verdoppelnd, indem er so nahe hinzutrat, daß er mit seinen eigenen Augen sehen konnte.
»Ja, ja,« murmelte Herr von Charny, der sich zu erheben suchte und mit geschwächten Augen umherschaute, »eine alte Wunde, die sich wieder geöffnet hat. Es ist nichts... nichts...«
Und seine Hand drückte unmerklich die Finger des Arztes.
Ein Arzt begreift Alles und muß Alles begreifen. Dieser war aber kein Hofarzt, sondern ein Wundarzt von Versailles. Er wollte sich ein Ansehen geben und erwiderte:
»Oh! alt... das beliebt Ihnen zu sagen; die Lefzen sind zu frisch, das Blut zu hochroth: diese Wunde ist nicht vierundzwanzig Stunden alt«
Charny, dem dieser Widerspruch seine Kräfte wiedergab, stellte sich auf seine Füße und sprach:
»Ich denke, Sie werden mich nicht lehren, mein Herr, in welchem Augenblick ich meine Wunde bekommen habe; ich sage Ihnen und wiederhole, daß sie alt ist.«
In diesem Moment erkannte er den König. Er knüpfte seine Weste zu, als schämte er sich, daß er einen so erhabenen Zuschauer bei seiner Schwäche hatte.
»Der König!« sagte er.
»Ja, Herr von Charny, ja, ich selbst, und ich segne den Himmel, daß ich hierher gekommen bin, um Ihnen ein wenig Erleichterung zu bringen.«
»Eine Schramme, Sire,« stammelte Charny, »eine alte Wunde, Sire, nichts Anderes.«
»Alt oder neu,« erwiderte der König, »diese Wunde hat mich Ihr Blut sehen lassen, das kostbare Blut eines wackeren Edelmannes.«
»Dem zwei Stunden im Bette seine Gesundheit wiedergeben werden,« fügte Charny bei, und er wollte aufstehen, doch er hatte ohne seine Kräfte gerechnet. Sein Kopf war schwer, seine Beine wankten, und kaum hatte er sich erhoben, als er in den Lehnstuhl zurückfiel.
»Ah!« sagte der Konig, »er ist sehr krank.«
»Oh! ja,« versetzte der Wundarzt mit einer feinen, diplomatischen Miene, die nach einer Eingabe um Beförderung roch, »doch man kann ihn retten.«
Der König war ein redlicher Mann; er hatte errathen, daß Charny etwas verbarg. Dieses Geheimniß war ihm heilig. Jeder Andere hätte es von den Lippen des Arztes, der es so höflich anbot, aufgefangen: Ludwig XVI. aber zog es vor, dieses Geheimniß seinem Eigenthümer zu lassen.
»Herr von Charny soll sich nicht durch seine Rückkehr nach Hause einer Gefahr aussetzen,« sagte der König. »Man pflege Herrn von Charny in Versailles; man rufe seinen Oheim, Herrn von Suffren, und hat man diesem Herrn gedankt,« er bezeichnete den dienstfertigen Wundarzt, »so rufe man meinen Leibarzt, den Doctor Louis. Er hat, glaube ich, den Dienst.«
Ein Offizier eilte weg, um die Befehle des Königs zu vollziehen. Zwei andere bemächtigten sich des Herrn von Charny und trugen ihn an das Ende der Gallerie in's Zimmer des Officiers der Garden.
Diese Scene ging rascher vor sich, als die zwischen der Königin und Herrn von Crosne.
Herr von Suffren wurde benachrichtigt, und der Doctor Louis an die Stelle des Ueberzähligen gerufen.
Wir kennen diesen redlichen, weisen und bescheidenen Mann, einen weniger glänzenden, als nützlichen Verstand, diesen muthigen Bearbeiter des unermeßlichen Feldes der Wissenschaft, Wo derjenige mehr geehrt ist, der das Korn erntet, wo derjenige nicht minder ehrenwerth ist, welcher die Furche öffnet.
Hinter dem Arzte, der sich schon über seinen Kunden neigte, erschien in aller Eile der Bailli von Suffren, dem eine Staffette die Nachricht überbracht hatte.
Der berühmte Seemann begriff diese Ohnmacht, dieses plötzliche Unwohlsein durchaus nicht.
Als er Charny's Hand ergriffen und seine trüben Augen angeschaut hatte, sagte er:
»Seltsam! seltsam! Wissen Sie, Doctor, daß mein Neffe nie krank gewesen ist?«
»Das beweist nichts, Herr Bailli,« erwiderte der Doctor.
»Die Luft von Versailles ist also sehr schwer, denn ich wiederhole Ihnen,
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