Das Halsband der Koenigin 2
ich habe Olivier zehn Jahre auf der See gesehen, und er war immer kräftig und aufrecht, wie ein Mastbaum.«
»Es ist seine Wunde,« sagte einer der anwesenden Officiere.
»Wie, seine Wunde!« rief der Admiral; »Olivier ist in seinem Leben nicht verwundet worden.«
»Oh! verzeihen Sie,« erwiderte der Officier, auf den gerötheten Batist deutend, »doch ich glaubte ...«
Herr von Suffren sah Blut.
»Es ist gut, es ist gut,« sagte der Doctor, der dem Kranken den Puls gefühlt hatte, mit vertraulicher Barschheit, »wir wollen uns nicht über den Ursprung des Uebels streiten. Wir haben das Uebel, begnügen wir uns damit und heilen wir dasselbe, wenn es möglich ist.«
Der Bailli liebte Aussprüche, die keine Widerrede gestatteten; er hatte die Wundärzte seiner Schiffe nicht daran gewöhnt, ihre Worte zu wattiren.
»Ist es sehr gefährlich, Doctor?« fragte er mit einer stärkeren Gemüthsbewegung, als er zeigen wollte.
»Ungefähr wie der Schnitt eines Rasirmessers am Kinn.«
»Gut. Danken Sie dem König, meine Herren. Olivier, ich werde Dich wieder besuchen.«
Olivier bewegte die Augen und die Finger, als wollte er zugleich seinem Oheim, der ihn verließ, und dem Doctor, der ihn in seine Hände nahm, danken.
Glücklich in seinem Bette zu sein, glücklich sich einem Manne von Verstand und Milde überlassen zu sehen, stellte er sich dann, als entschliefe er.
Der Doctor schickte Jedermann weg.
Olivier entschlief nun in der That, doch nicht ohne dem Himmel für Alles, was ihm begegnet, oder vielmehr für das Schlimme, was ihm unter so ernsten Umständen nicht begegnet war, zu danken.
Das Fieber hatte sich seiner bemächtigt; jenes wunderbare, die Menschheit wiedergebärende Fieber, ein ewiger Saft, der im Blute des Menschen treibt und, den Absichten Gottes, das heißt der Menschheit dienend, die Gesundheit im Kranken keimen läßt, oder den Lebendigen mitten in der Gesundheit wegrafft.
Als Olivier mit jener Hitze der vom Fieber Befallenen die Scene mit Philipp, die Scene mit der Königin, die Scene mit dem König gründlich überlegt hatte, verfiel er in jenen furchtbaren Kreis, den das wüthende Blut wie ein Netz über den Verstand wirft ... Er delirirte.
Drei Stunden später hätte man ihn von der Gallerie aus hören können, wo einige Wachen auf und ab gingen! als der Doctor dieß bemerkte, rief er seinen Bedienten und befahl ihm, Olivier in seine Arme zu nehmen. Olivier stieß einige Klageschreie aus.
»Wickle ihm die Decke über den Kopf,«
»Wie soll ich das machen?« sagte der Bediente. »Er ist zu schwer und vertheidigt sich zu sehr. Ich will einen von den Herren Garden um Beistand bitten.«
»Du bist ein Hasenfuß, wenn Du Dich vor einem Kranken fürchtest,« entgegnete der Doctor.
»Herr Doctor ...«
»Und findest Du ihn zu schwer, so bist Du nicht so stark, wie ich geglaubt habe. Ich werde Dich nach Auvergne zurückschicken.«
Die Drohung wirkte. Schreiend, heulend, heftig sich geberdend und delirirend, wurde Charny von dem Auvergnaten wie eine Feder im Angesicht der Leibwachen aufgehoben.
Diese umgaben Louis und befragten ihn.
»Meine Herren,« sagte der Doctor, der stärker schrie, als Charny, um dessen Schreie zu übertäuben, »Sie begreifen, daß ich nicht alle Stunden eine Meile machen werde, um den Kranken zu besuchen, den mir der König anvertraut hat. Ihre Gallerie liegt am Ende der Welt.«
»Wohin bringen Sie ihn, Doctor?«
»Zu mir, da ich ein träger Mensch bin. Ich habe hier, wie Sie wissen, zwei Zimmer, ich lege ihn in eines derselben, und übermorgen, wenn Niemand mit ihm verkehrt, werde ich Ihnen Bericht erstatten.«
»Aber, Doctor.« sagte der Officir, »ich versichere Sie, daß der Kranke hier sehr gut gewesen wäre, wir lieben Alle Herrn von Suffren, und ...«
»Ja, ich kenne diese Pflege des Cameraden für den Cameraden. Der Verwundete hat Durst, man ist gut gegen ihn; man gibt ihm zu trinken, und er stirbt. Zum Teufel mit der guten Pflege der Herren Garden! Man hat so zehn Kranke getödtet.«
Der Doctor sprach noch, als schon Olivier nicht mehr gehört werden konnte.
»Ah! ja,« fuhr der würdige Arzt fort; »das ist sehr wohl gethan, das ist sehr verständig. Dabei ist nur ein Unglück, daß der König den Kranken wird sehen wollen ... Und wenn er ihn sieht, wird er ihn hören ... Teufel! da ist nicht zu zögern. Ich will die Königin benachrichtigen. Sie wird mir einen guten Rath geben.«
Nachdem der gute Doctor diesen Entschluß mit der Raschheit des
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