Das Halsband der Königin - 3 (German Edition)
Gräfin mit sanftem, gleichgültigem Tone.
»Madame wolle mir folgen,« erwiderte er.
»Wohin?«
»Hinab.«
»Wie? hinab ...«
»In die Kanzlei.«
»Ich bitte, warum?«
»Madame ...«
Jeanne ging auf diesen Mann zu, welcher zögerte, und sah am Ende der Flur die Schützen der Vogtei, welche sie zuerst unten getroffen hatte.
»Sagen Sie mir doch, was man in der Kanzlei von mir will?« rief sie bewegt.
»Madame, Herr Voillot, Ihr Vertheidiger, möchte Sie gern sprechen.«
»In der Kanzlei? Warum nicht hier, da er mehrere Male die Erlaubnis; gehabt hat, hierher zu kommen?«
»Madame, Herr Voillot hat Briefe von Versailles erhalten, und er will Ihnen Kenntniß davon geben.«
Jeanne bemerkte nicht, wie unlogisch diese Antwort war. Ein einziges Wort fiel ihr auf: Briefe von Versailles, Briefe vom Hof ohne Zweifel, vom Vertheidiger selbst überbracht.
Sollte die Königin beim König nach Verkündigung des Spruches vermittelt haben? Sollte ...
Doch wozu Muthmaßungen? hatte man Zeit dazu, war das nöthig, wenn man in zwei Minuten die Lösung des Räthsels finden konnte?
Ueberdieß wurde der Schließer dringlich; er schüttelte seine Schlüssel wie ein Mensch, der in Ermangelung guter Gründe einen Befehl entgegenhält.
»Warten Sie ein wenig auf mich,« sagte Jeanne, »Sie sehen, daß ich mich schon ausgekleidet hatte, um ein wenig zu ruhen; ich bin in den letzten Tagen so müde geworden.«
»Ich werde warten, Madame, aber bedenken Sie, daß Herr Voillot Eile hat.«
Jeanne schloß ihre Thüre, zog ein etwas frischeres Kleid an, nahm eine Mantille und ordnete rasch ihre Haare. Sie brauchte keine fünf Minuten zu diesen Vorbereitungen. Ihr Herz sagte ihr, Herr Voillot bringe den Befehl, auf der Stelle abzugehen, und das Mittel, Frankreich auf eine zugleich discrete und bequeme Weise zu durchreisen. Ja, die Königin mußte dafür gesorgt haben, daß ihre Feindin so bald als möglich weggeführt wurde. Die Königin mußte, nachdem man den Spruch gefällt, sich's angelegen sein lassen, diese Feindin so wenig als möglich zu reizen, denn ist der Panther in Fesseln gefährlich, wie muß man ihn erst fürchten, wenn er frei ist? In diesen glücklichen Gedanken gewiegt, ging oder flog vielmehr Jeanne hinter dem Schließer her, der sie die kleine Treppe hinabgehen ließ, auf der man sie schon in den Sitzungssaal geführt hatte. Doch statt bis zu diesem Saale zu gehen, statt sich links zu wenden, um in die Kanzlei einzutreten, wandte sich der Schließer nach einer kleinen Thüre rechts.
»Wohin gehen Sie denn?« fragte Jeanne, »die Kanzlei ist dort.«
»Kommen Sie, kommen Sie, Madame,« sagte mit honigsüßem Tone der Schließer, »hier erwartet Sie Herr Voillot.«
Er trat zuerst ein und zog die Gefangene nach, welche geräuschvoll die äußeren Riegel dieser dicken Thüre hinter ihr schließen hörte.
Erstaunt, doch ohne noch etwas in der Finsterniß zu sehen, wagte es Jeanne nicht mehr, ihren Wächter zu fragen.
Sie machte ein paar Schritte und blieb dann stehen. Ein bläuliches Licht verlieh der Stube, in der sie sich befand, das Aussehen vom Innern eines Grabes.
Die Helle drang oben von einem alterthümlichen Gitterwerk durch Spinnengewebe und eine hundertfache Lage uralten Staubes ein, und nur einige bleiche Strahlen gaben den Wänden ein wenig von ihrem Wiederschein.
Jeanne fühlte plötzlich die Kälte, sie fühlte die Feuchtigkeit des Kerkers; sie errieth etwas Entsetzliches an den flammenden Augen des Schließers.
Indessen sah sie noch nichts, als diesen Mann; er allein mit der Gefangenen nahm in diesem Augenblick das Innere dieser vier Wände ein, welche ganz mit Grün überzogen waren von dem Wasser, das sie überall ausschwitzten, ganz schimmelig vom Durchzug einer Luft, welche die Sonne nie erwärmt hatte.
»Mein Herr,« sagte sie nun, den Eindruck des Schreckens beherrschend, der sie schauern machte, »was thun wir Beide hier?« Wo ist Herr Voillot, zu welchem Sie mich zu führen versprochen haben?«
Der Schließer antwortete nicht: er wandte sich um, als wollte er nachschauen, ob die Thüre, durch die sie eingetreten waren, fest geschlossen sei.
Jeanne folgte dieser Bewegung voll Angst. Es kam ihr der Gedanke, sie habe es, wie in den schwärzlichen Romanen jener Zeit, mit einem jener Kerkermeister zu thun, welche, in wilder Liebe für ihre eingekerkerten Frauen entbrannt, an dem Tage, wo ihnen ihre Beule durch die offene Thüre ihres Käfigs entgehen soll, sich zu Tyrannen der schönen
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