Das Halsband der Königin - 3 (German Edition)
erschien so schön und so groß, daß der König hierüber öffentlich seine Glückwünsche gegen sie aussprach.
Dann, als Alles wohl beendigt war, legte sie ihr erzwungenes Lächeln nieder und kehrte zu ihren Erinnerungen, das heißt zu ihrem Schmerz, allein, ganz allein in der Welt, zurück; sie wechselte ihre Toilette, nahm einen grauen Hut mit blauen Bändern und Blumen, ein Kleid von mauergrauer Seide, stieg in ihren Wagen und ließ sich, ohne Leibwachen, nur mit einer einzigen Dame nach Saint-Denis führen.
Es war die Stunde, wo die Nonnen, in ihre Zellen zurückgekehrt, vom bescheidenen Geräusch des klösterlichen Speisesaals zum Stillschweigen der Mediationen übergingen, denen sie sich vor dem Abendgebet Hingaben.
Die Königin ließ Fräulein Andree von Taverney in's Sprachzimmer rufen.
Knieend, in ihr Nachtgewand von weißer Wolle gehüllt, betrachtete Andree aus ihren Fenstern den Mond, der hinter den großen Linden aufging, und in dieser Poesie der beginnenden Nacht fand sie das Thema zu all den inbrünstigen, leidenschaftlichen Gebeten, die sie zur Erleichterung ihrer Seele an Gott sandte.
Sie trank mit langen Zügen den unheilbaren Schmerz der freiwilligen Abwesenheit. Diese Marter ist nur starken Seelen bekannt: sie ist zugleich eine Qual und ein Vergnügen. Sie gleicht, was das Leiden betrifft, allen gewöhnlichen Schmerzen. Sie läuft auf eine Wollust aus, welche nur diejenigen fühlen können, die das Glück dem Stolz zu opfern wissen.
Andree hatte aus freien Stücken den Hof verlassen; aus freien Stücken hatte sie mit Allem gebrochen, was ihre Liebe unterhalten konnte. Stolz wie Cleopatra, hatte sie nicht einmal die Idee ertragen können, Herr von Charny habe an eine andere Frau gedacht, und wäre diese Frau die Königin selbst.
Kein Beweis für sie von dieser für eine Andere glühenden Liebe. Sicherlich hatte die eifersüchtige Andree aus diesem Beweise die ganze Überzeugung gezogen, die ein Herz bluten machen kann. Hatte sie aber nicht Herrn von Charny gleichgültig an ihr vorübergehen sehen? Hatte sie nicht die Königin im Verdacht gehabt, sie nehme für sich, freilich unschuldig, die Huldigungen Charny's in Anspruch, den sie so sehr bevorzugte?
Wozu sollte es fortan nützen, in Versailles zu bleiben? Um Complimente zu erbetteln? um die Nachlese mit lächelnden Mienen zu halten? um von Zeit zu Zeit mit einem angebotenen Arm. mit einer berührten Hand abgespeist zu werden, wenn die Königin auf der Promenade ihr die Artigkeiten Charny's leihen würde, weil die Königin in diesem Augenblick nicht im Stande war, sie für sich zu behalten?
Nein, keine feige Schwäche, kein Vergleich für diese stoische Seele. Das Leben mit der Liebe und der Bevorzugung, das Kloster mit der Liebe und dem verwundeten Stolz.
»Nie! nie!« wiederholte sich die stolze Andree, »derjenige welchen ich im Schatten liebe, ist für mich nur eine Wolke, ein Porträt, eine Erinnerung; dieser verletzt mich nie, er lächelt immer mir zu, er lächelt nur mir zu.«
Darum hatte sie so viele Nächte in Schmerzen, aber frei zugebracht; darum zog Andree, glücklich zu weinen, wenn sie sich schwach fand, zu verfluchen, wenn sie sich exaltirte, die freiwillige Abwesenheit, welche ihr die Unversehrtheit ihrer Liebe und ihrer Würde ließ, der Fähigkeit vor, einen Mann wiederzusehen, den sie haßte, weil sie gezwungen war, ihn zu lieben.
Und überdieß bereiteten diese stummen Beschauungen der reinen Liebe, diese göttlichen Entzückungen des einsamen Traumes der unbändigen Andree weit mehr Lebensfreude als die leuchtenden Feste in Versailles, die Nothwendigkeit, sich vor Nebenbuhlerinnen zu beugen, und die Furcht, das in ihrem Heizen eingeschlossene Geheimniß an das Tageslicht entschlüpfen zu lassen.
Am Abend des St. Ludwigstages suchte also die Königin Andree in Saint-Denis auf, und sie fand sie träumerisch.
Man meldete Andree wirklich, die Königin sei soeben angekommen, das Capitel empfange sie im großen Sprachzimmer, und Ihre Majestät habe nach dem ersten Komplimente gefragt, ob man Fräulein von Taverney sprechen könnte.
Eine seltsame Erscheinung! es bedurfte für Andree, ein durch die Liebe erweichtes Herz, nicht mehr, daß sie diesem Wohlgeruch entgegensprang, der von Versailles zu ihr kam, einem Wohlgeruch, den sie am Tage vorher verflucht, einem Wohlgeruch, der in demselben Maße kostbarer wurde, in dem er sich mehr entfernte, kostbar wie Alles, was sich verdunstet, wie Alles, was sich vergißt,
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