Das Halsband der Königin - 3 (German Edition)
kostbar wie die Liebe.
»Die Königin!« murmelte Andree, »die Königin in Saint- Denis! Die Königin, die mich ruft!«
»Geschwind, beeilen Sie sich,« erwiderte man ihr.
Sie beeilte sich in der That, sie warf auf ihre Schultern die lange Mante der Nonnen, befestigte um ihren weiten Rock den wollenen Gürtel, und folgte, ohne einen Blick in ihren kleinen Spiegel zu thun, der Pförtnerin, welche sie geholt hatte.
Doch kaum hatte sie hundert Schritte gemacht, als sie sich gedemüthigt fühlte, daß sie so viel Freuden empfunden.
»Warum,« sagte sie, »warum hat mein Herz gebebt? In welcher Hinsicht berührt es Andree von Taverney, daß die Königin von Frankreich das Kloster Saint-Denis besucht? Ist es Stolz, was ich empfinde? Die Königin ist nicht meinetwegen hier. Ist es Glück? ich liebe die Königin nicht mehr. Ruhig doch, schlimme Nonne, die weder Gott noch der Welt gehört; sei wenigstens bemüht, Dir selbst zu gehören.«
Andree schalt sich so, während sie die große Treppe hinabging, und Herrin ihres Willens, tilgte sie auf ihren Wangen die flüchtige Rede der Hast, mäßigte die Raschheit ihrer Bewegungen. Doch um hiezu zu gelangen, brauchte sie mehr Zeit, die letzten sechs Stufen vollends hinabzugehen, als sie zu den dreißig ersten gebraucht hatte.
Als sie hinter den Chor zum Ceremonien-Sprachzimmer kam, in welchem der Glanz der Kronleuchter und der Wachskerzen unter den geschäftigen Händen einiger Laienschwestern zunahm, war Andree kalt und bleich.
Als sie ihren Namen von der Pförtnerin aussprechen hörte, als sie Marie Antoinette auf dem äbtlichen Stuhle sitzen sah, während zu ihrer Seite die edelsten Stirnen sich beeiferten und beugten, wurde Andree von einem Herzklopfen erfaßt, das ihren Gang mehrere Secunden hemmte.
»Ah! kommen Sie doch, daß ich mit Ihnen reden kann, mein Fräulein,« sagte die Königin halb lächelnd.
Andree näherte sich und beugte den Kopf.
»Sie erlauben, Madame,« sprach die Königin, sich gegen die Superiorin umwendend.
Diese antwortete durch eine Verneigung und verließ das Sprachzimmer, gefolgt von allen ihren Nonnen.
Die Königin blieb allein mit Andree, deren Herz so gewaltig schlug, daß man es ohne das langsamere Geräusch der Unruhe einer alten Uhr hätte hören können.
LXXXII.
Ein todtes Herz.
Die Königin begann das Gespräch, das war in Ordnung.
»Ah! mein Fräulein, wissen Sie, daß Sie als Nonne einen seltsamen Eindruck auf mich machen?«
Andree antwortete nicht.
»Eine alte Gefährtin,« fuhr die Königin fort, »schon für die Welt, in der wir Andere noch leben, verloren zu sehen, ist wie ein ernster Rath, den uns das Grab gibt. Sind Sie nicht meiner Ansicht, mein Fräulein?«
»Madame,« erwiderte Andree, »wer würde sich erlauben, Eurer Majestät Rathschläge zu geben? Der Tod selbst wird die Königin nicht eher, als an dem Tage benachrichtigen, wo er sie abholt. In der That, wie sollte er es anders machen?«
»Warum?«
»Madame, weil eine Königin durch die Natur ihrer Erhabenheit dazu bestimmt ist, in dieser Welt nur die unvermeidlichen Notwendigkeiten zu erdulden. Alles was ihr Leben verbessern kann, hat sie; Alles was bei Anderen ihre Laufbahn verschönern helfen kann, nimmt eine Königin Anderen.«
Die Königin machte eine Bewegung des Erstaunens.
»Und das ist ein Recht,« fügte Andree hastig bei; »die Andern sind für eine Königin eine Schaar von Unterthanen, deren Leben, Ehre und Güter den Fürsten gehören. Leben, Ehre und Güter, moralische oder materielle, sind also das Eigenthum der Königinnen.«
»Das sind Lehren, die mich in Erstaunen setzen,« sprach Marie Antoinette langsam. »Sie machen aus einer Souveränin in diesem Land irgend eine Wehrwölfin der Mährchen, die das Vermögen und das Glück einfacher Bürger verschlingt. Bin ich diese Frau, Andree? Haben Sie sich im Ernste über mich zu beklagen gehabt, als Sie bei Hofe waren?«
»Eure Majestät hatte die Güte, diese Frage an mich zu richten, als ich sie verließ,« erwiderte Andree; »ich antwortete, wie heute: Nein, Madame.«
»Aber oft,« fuhr die Königin fort, »verletzt uns ein Verdruß, der nicht persönlich ist. Habe ich einem der Ihrigen geschadet und folglich die harten Worte verdient, die Sie soeben zu mir gesprochen? Andree, die Einsamkeit, die Sie sich gewählt, ist ein Asyl gegen alle schlimmen Leidenschaften der Welt. Gott lehrt uns Sanftmuth, Mäßigung, Vergessen der Beleidigungen, Tugenden, deren reinstes Muster er ist. Muß ich,
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