Das Halsband der Königin
betrüblichen Irrtum, mein Herr«, antwortete Cagliostro, ohne seine Stellung im mindesten zu ändern, »ich habe die Eigenart, Neuigkeiten, skandalöse Berichte und derlei zu sammeln, um mich ihrer später erinnern zu können.
Wen habe ich beleidigt, als ich diese Zeitung kaufte?«
»Mich haben Sie beleidigt, mich, verstehen Sie?«
»Sie? Nein, das verstehe ich nicht, bei meiner Ehre!«
»Ein Ehrenmann sammelt keine schändlichen Lügen.«
»Verzeihen Sie, da bin ich anderer Ansicht; die Schrift mag ein Pamphlet sein, aber sie ist keine Lüge. Ihre Majestät ist an Mesmers Bottich gewesen.«
»Das ist nicht wahr!«
»Und ich versichere Ihnen: ich habe sie gesehen.«
Und Cagliostros leuchtende Augen hielten Taverneys durch-dringendem Blick stand, bis dieser sich ermüdet abwandte.
»Dennoch beharre ich bei meiner Behauptung, daß Sie lü-
gen.«
Cagliostro zuckte die Achseln, als hätte er die Beschimpfung eines Schwachsinnigen vernommen.
»Verstehen Sie mich nicht?« fragte Philippe dumpf.
»Ich verstehe sehr gut, was Sie sagen. Ich kenne sogar das französische Sprichwort: Wer mich Lügen straft, dem gebührt eine Ohrfeige.«
»Dann wundert mich nur, daß Sie, ein Edelmann, nicht Ihre Hand gegen mich erheben.«
»Ehe Gott mich zum Edelmann gemacht und das französische Sprichwort kennen gelehrt hat«, entgegnete Cagliostro gelassen, »machte er mich zum Menschen und befahl mir, meinen Nächsten zu lieben.«
»Heißt das, Sie wollen mir nicht mit dem Degen Genugtuung geben?«
»Ich pfl ege nur zu zahlen, was ich schuldig bin, Chevalier.«
»Dann zwingen Sie mich, Ihnen nicht anders zu begegnen als dem Zeitungsschreiber.«
»Oh, Stockprügel!« lachte Cagliostro und schien überaus belu-stigt. »Versuchen Sie es, gegen mich anzukommen.«
Seiner Sinne kaum mehr Herr, stürzte sich Philippe auf den Grafen, dessen Hände ihn aber wie stählerne Klammern an Hals und Gürtel packten und mit unerhörter Kraft weit hin auf ein mit Kissen besetztes Sofa schleuderten. Darauf nahm der Graf wieder die lässige Stellung am Kamin ein wie vorher.
Bleich, schäumend erhob sich Philippe.
»Den Degen, Graf, den Degen, sage ich Ihnen, oder Sie sind des Todes!« rief er und zog blank.
Cagliostro rührte sich nicht.
»Noch sind Sie mir nicht nahe genug, Chevalier, daß ich Ihnen wie soeben begegne, denn ich gedenke, mich von Ihnen nicht verletzen oder gar töten zu lassen wie der arme Gilbert.«
»Welchen Namen nennen Sie da?« stammelte Philippe asch-fahl.
»Einen Namen, der in Ihnen eine furchtbare Erinnerung weckt, nicht wahr? Den Sie niemals mehr zu hören hofften? Denn Sie waren doch allein mit dem armen Jungen, als Sie ihn umbrach-ten in jener Grotte auf den Azoren.«
»Ziehen Sie! Verteidigen Sie sich!« schrie Philippe verzweifelt, und seine Degenspitze war der Brust des Grafen schon bis auf drei Daumenlängen nahe.
»Oh, darauf lasse ich mich nicht ein«, sagte dieser und spritzte dem Chevalier aus einem Fläschchen, das er blitzschnell aus der Tasche gezogen, eine Flüssigkeit ins Gesicht, die ihn betäubte, so daß der Degen seiner Hand entfi el.
Cagliostro fi ng den Taumelnden auf, steckte ihm die Waffe in die Scheide, führte ihn zu einem Lehnstuhl und wartete, bis er zu sich kam.
»Chevalier«, sagte er dann, »Sie sind alt genug, sich nicht mehr wie ein Kindskopf aufzuführen.«
Philippe schüttelte sich, um die Erstarrung abzuwerfen, die sein Hirn befallen hatte.
»Mein Gott«, sagte er, »nennen Sie das die Waffen eines Edelmanns?«
Cagliostro zuckte die Achseln.
»Sie wiederholen immer die gleiche Phrase«, sagte er. »Wenn ein Adliger den Mund auftut zu dem Wort Edelmann, glaubt er, damit sei alles gesagt. Aber was erhebt einen Menschen über andere? Das klangvolle Wort Edelmann? Nein. Zuerst die Vernunft, dann die Kraft, und endlich die Wissenschaft. Alle drei Waffen habe ich gegen Sie eingesetzt, als Sie mit Ihren Drohungen auf mich eindrangen. Wollen Sie mir jetzt die Ehre erweisen, mich anzuhören?«
»Sie haben meine Kraft, meine Gedanken ausgelöscht. Wie können Sie mich das fragen.«
Cagliostro nahm ein goldenes Fläschchen vom Kaminsims, öffnete es und hieß Philippe, tief daraus einzuatmen. Er gehorchte; und der belebende Dunst durchströmte ihm Geist und Glieder mit wunderbarer Frische.
Der Graf versicherte sich, daß Philippe sich wieder ganz wohl befand. Dann fragte er ihn, weshalb er wirklich gekommen sei.
»Um ein geheiligtes Prinzip zu verteidigen: die
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