Das Halsband der Königin
samtenen Hals Marie-Antoinettes, daß diese sich jäh von einem phosphoreszierenden Gefunkel überfl utet sah.
»Oh! Eure Majestät sehen herrlich aus«, rief Jeanne.
Marie-Antoinette eilte vor einen Spiegel und stand geblendet.
Ihr schlanker, geschmeidiger Hals, zart wie der Stengel einer Lilie und doch bestimmt, unterm Eisen zu fallen, schwang sich anmutig auf aus der glitzernden Flut.
Jeanne hatte gewagt, die Schultern der Königin zu entblößen, so daß die äußerste Reihe der Steine auf ihren Busen fi el. In strahlender Schönheit erblickte sich die Königin, erblickte sich das Weib. Liebhaber oder Untertane, alle wären jetzt vor ihr in die Knie gesunken.
Marie-Antoinette vergaß sich für Augenblicke in der Bewunderung ihrer selbst. Dann, von Angst erfaßt, wollte sie das Halsband von ihren Schultern reißen.
»Genug«, rief sie, »genug!«
»Es hat Eure Majestät berührt«, rief Boehmer aus, »es darf niemand anderem mehr gehören!«
»Ausgeschlossen«, entschied die Königin mit fester Stimme,
»ich habe ein wenig mit diesen Diamanten gespielt, aber es wäre ein Fehler, dieses Spiel fortzusetzen.«
»Wir lassen Ihrer Majestät jede erforderliche Zeit, sich mit dem Gedanken zu befreunden«, sagte Boehmer mit schwingen-der Stimme, noch immer hoffend, die Königin werde sich anders besinnen.
Marie-Antoinette aber ließ sich von nun an nicht mehr in ihrem Beschluß beirren, mochten die Juweliere das Geschmeide noch so kunstreich in ihren Händen spielen lassen, mochte Jeanne de La Motte ihre Überredungskunst noch so geschickt einsetzen – die Königin verabschiedete sie endlich, erschöpft von diesem Ringen gegen die gefährliche Versuchung.
Ehrgeiz und Liebe
Kaum war Jeanne in ihr kleines Versailles, ihr Haus im Faubourg Saint-Antoine, zurückgekehrt, als ihr der Kardinal gemeldet wurde.
Sie wartete zwei Sekunden, ehe sie mit einem Lächeln auf den Lippen sagte: »Lassen Sie eintreten.«
War ihr Plan fertig? Offenbar, denn die Fahrt von Versailles nach Paris ist lang, und wenn man sie Seite an Seite mit dem Dämon der Begierde macht, hat er Zeit genug, einem die wage-halsigsten Kombinationen einzufl üstern.
Einerseits hatte Jeanne bei ihrem Besuch in Versailles einen tiefen Blick in die Seele der Königin getan, andererseits war sie berauscht von jener Ziffer, die in der Form eines Diamantenge-schmeides auf dem weißen Seidenfutter des Etuis gefunkelt hatte: anderthalb Millionen! Ein fürstliches Vermögen für die arme Bettlerin, die noch vor einem Monat ihre Hand nach Almosen ausgestreckt hatte.
Wahrlich, von der Jeanne de Valois, die in der Rue Saint-Claude kalt und ärmlich gehaust hatte, bis zu jener, die im Faubourg Saint-Antoine ein wohlbestelltes kleines Palais besaß, war ein weiter Weg – viel weiter als der, den die Jeanne aus dem Faubourg Saint-Antoine gehen müßte, um die Besitzerin dieses Halsbands zu werden. Mehr als die Hälfte des Weges, der zum Reichtum führt, lag bereits hinter ihr.
Und dieser Reichtum, den Jeanne begehrte, war nichts Illusionäres, nein, er war ein verläßlicheres Vermögen als Verträge oder Güter: dieses Halsband war der sichtbare Reichtum, immer gegenwärtig, in zauberischem Feuer gleißend. Da die Königin ihn begehrte, durfte Jeanne de Valois wohl von ihm träumen; da die Königin ihm entsagt hatte, durfte Madame de La Motte ihren Ehrgeiz wohl darauf begrenzen.
Der Kardinal, der ihre Träume verwirklichen sollte, unterbrach sie, indem er unerwartet und doch erwünscht sich bei ihr ein-stellte.
Auch er hatte seine Träume, auch er seinen Ehrgeiz, den er unter der Maske einer Verliebtheit, einem Anschein von Liebe, tarnte.
»Ah, liebste Jeanne, da sind Sie«, sagte er, »Sie sind mir wahr-haftig so unentbehrlich geworden, daß mein ganzer Tag von dem Gedanken überschattet wurde, daß Sie mir fern sind. Sind Sie von Versailles wenigstens glücklich heimgekehrt?«
»Wie Sie sehen, Monseigneur, glücklich und bezaubert.«
»Also hat die Königin Sie empfangen?«
»Ich wurde sofort vorgelassen.«
»Da haben Sie Glück gehabt. Und nach Ihrer triumphieren-den Miene zu urteilen, hat die Königin auch mit Ihnen gesprochen?«
»Ich habe ungefähr drei Stunden im Gemach Ihrer Majestät verbracht.«
Der Kardinal zitterte leicht; Jeannes Erfolg verschlug ihm die Sprache.
»Sie sind tatsächlich eine Zauberin«, sagte er lächelnd, »niemand kann Ihnen widerstehen.«
»Und ich versichere Sie, Monseigneur, daß ich meine Zeit nicht vergeudet
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