Das Halsband der Königin
habe.«
»Ich wette, daß Sie während dieser drei Stunden nicht eine einzige Minute an mich gedacht haben?«
»Undankbarer!«
»Wahrhaftig?« rief der Kardinal.
»Ich habe nicht nur an Sie gedacht, ich habe von Ihnen gesprochen.«
»Von mir gesprochen, und mit wem?« fragte scheinheilig der Prälat, dessen Herz zu klopfen begann.
»Mit wem anders als mit der Königin?«
Und bei diesen für den Kardinal so kostbaren Worten war Jeanne so klug, dem Fürsten nicht ins Gesicht zu blicken, als kümmerte es sie wenig, welche Wirkung diese hervorbrachten.
»Nun, liebste Gräfi n, das müssen Sie mir erzählen«, sagte er.
»Mich interessiert alles, was Ihnen begegnet, so sehr, daß ich Sie bitte, mir nicht das mindeste Detail zu erlassen.«
Jeanne lächelte; sie wußte so gut wie er selbst, was den Kardinal interessierte.
Aber da dieser ausführliche Bericht in ihrem Kopf im voraus bis ins letzte vorbereitet war, begann sie bedächtig, ließ sich jede Silbe aus dem Munde ziehen. So erzählte sie die ganze Begegnung, die gesamte Konversation, und erbrachte mit jedem Wort den Beweis dafür, daß sie durch günstigen Zufall, wie er das Glück der Höfl inge ist, in Versailles in eine der Konstellationen hinein-geraten war, die binnen eines Tages aus einer Fremden eine fast unentbehrliche Vertraute machen. Und in der Tat, Jeanne de La Motte war an dem einen Tag ja in alle Unglücke der Königin, in alle Ohnmachten des Königtums eingeweiht worden.
Herr de Rohan schien von dem Bericht nur zu behalten, was die Königin Jeanne betreffend gesagt hatte. Jeanne betonte in ihrem Bericht alles, was die Königin Herrn de Rohan betreffend gesagt hatte.
Unterdessen meldete ein Diener, daß das Souper serviert sei.
Der Kardinal reichte der Herrin des Hauses den Arm und geleitete sie in den Speisesaal.
Jeanne machte diesmal die Honneurs ihres Hauses mit vollendeter Sicherheit, keine Verlegenheit im Blick, keine Scheu in der Stimme. Ihr Geplauder, das, wie verständlich, noch immer um das gleiche Thema kreiste, bekundete zur Genüge, daß sie nunmehr nicht allein Herrin ihrer selbst, sondern auch Herrin über andere zu sein vermochte. Mit Überraschung, die beinahe an Furcht grenzte, stellte der Kardinal fest, daß er mit dieser Frau, die die Herzen Mächtiger in der Hand hatte, künftig wür-de rechnen müssen. Alles Provinzlerische war von ihr abgefallen; der Tag im Kreis der höchsten Adligen des Reiches war für sie auch zur Hohen Schule aristokratischer Haltung und Lebensart geworden.
Mit galanten Liebenswürdigkeiten erwies der Kardinal ihr seinen Respekt und suchte zugleich, mit ihr auf vertrauteren Fuß zu gelangen. Ein langer, glühender Kuß auf ihre Hand trug ihm ein gewährendes Lächeln ein. Er schickte seine Equipage fort und sagte mit einem tiefen Blick in ihre Augen:
»Madame, ich habe meine Schiffe verbrannt.«
»Das ist kein Verdienst«, lächelte sie, »Sie sind ja im Hafen.«
Zwei Männer täuschen einander mit einem Händedruck; ein Mann und eine Frau täuschen sich mit einer Umarmung.
Die Gräfi n hatte nachgegeben, der Kardinal hatte gesiegt, und doch war der Kardinal jetzt der Sklave, die Gräfi n triumphierte.
Jeder der beiden hatte den anderen getäuscht, weil der andere getäuscht sein wollte. Jeder hatte sein Ziel, und beiden war die Vertraulichkeit nur nötiges Mittel gewesen, zu diesem Ziel zu gelangen.
Zwei Stunden, nachdem der Kardinal seinen Wagen fortge-schickt, hatte, waren beide an dem Punkt, alle Umwege und Umständlichkeiten beiseite zu lassen und ziemlich gerade, wenngleich nicht ganz ohne Masken, ihre Ziele anzusteuern.
»Die Königin ist großherzig«, sagte der Kardinal, »denjenigen, die sie liebt, gibt sie mit vollen Händen.«
»Und doch ist sie nicht reich«, entgegnete Jeanne, »da sie auf jenes wundervolle Diamantenhalsband, das sie sehnlichst begehrt, verzichten muß.«
»Der König hat es ihr schenken wollen. Sie hat es ausgeschlagen.«
»Sie kennen die Frauen, Sie kennen den Hof, und ich soll glauben, daß ihr Entschluß Sie irregeführt hätte?«
Der Blick des Kardinals ruhte aufmerksam auf Jeanne.
»Nun, wäre ich der König und Sie meine Königin«, sagte er,
»wüßte ich Sie wohl zu zwingen, mein Geschenk anzunehmen.«
»Nun, zwingen Sie die Königin dazu, und ich bin sicher, daß Sie Ihnen gar nicht so gram wäre, wie Sie zu glauben scheinen.«
Wieder blickte der Kardinal gespannt in Jeannes Augen.
»Sie meinen, die Königin begehrt dieses Halsband so
Weitere Kostenlose Bücher