Das Halsband der Königin
kreist.«
»Monsieur«, entgegnete die Königin immer fi ebriger, »Sie haben Stürme und Schlachten heil überstanden, Sie sind gestärkt daraus hervorgegangen, triumphierend und geliebt. Wer aber, wie wir, Feinden ausgesetzt ist, die mit dem Geifer der Verleumdung unseren Ruf zu besudeln trachten, der ist zwar nicht in Lebensgefahr, gewiß, aber er altert mit jedem Sturm. Freunde und Feinde zu gemeinsamer Attacke gegen sich verschworen zu fi nden, wie es mir heute geschehen ist, wie furchtbar! Sie ahnen nicht, Monsieur, wie bitter es ist, gehaßt zu werden.«
Andrée erwartete angstvoll die Antwort des jungen Mannes. Sie zitterte, daß er der Königin jetzt jene tröstlichen Worte sagen werde, die sie erheischte. Doch Charny trocknete nur stumm und er-bleichend seine Schläfen und suchte an einem Lehnstuhl Halt.
»Ist es nicht zu heiß hier?« fragte die Königin, ihn anblickend.
Sofort öffnete Madame de La Motte ein Fenster.
»Herr de Charny ist an den Seewind gewöhnt«, fuhr Marie-Antoinette fort, »er erstickt in den Boudoirs von Versailles.«
»Das ist es nicht, Madame«, antwortete Charny, »aber ich habe um zwei Uhr Dienst, und wenn Eure Majestät mir nicht befehlen zu bleiben …«
»O nein, Monsieur«, sagte die Königin, »wir wissen auch, was ein Befehl heißt, nicht wahr, Andrée?« Und in leicht gereiztem Ton setzte sie hinzu: »Sie sind frei, Monsieur.«
Charny beeilte sich zu grüßen und ging.
Zwei Sekunden später hörte man aus dem Vorzimmer einen leisen Aufschrei und das Geräusch eiliger Schritte. Die Königin, noch von Charnys Aufbruch irritiert, öffnete die Tür, schrie auf und wollte hinausstürzen. Im selben Moment sah sie zwischen sich und der Tür Andrée, deren Augen mit unverhohlener Spannung auf ihr ruhten.
Madame de La Motte hatte sich derweilen den Hals ausgereckt, um in den Vorraum zu schauen. Die Königin, ihre Bewegung ge-wahrend, schloß heftig die Tür, aber zu spät; Jeanne hatte gesehen, wie Charny ohnmächtig von Dienern hinausgetragen wurde.
Stumm und mit gerunzelter Stirn nahm die Königin wieder Platz und versank in düsteres Grübeln.
»Seltsam«, begann sie nach einer Weile, als spräche sie zu sich selber, »Herr de Charny scheint noch immer zu zweifeln. Gewiß glaubt er, der König habe mir nur aus Eigenliebe dieses Alibi verschafft.«
Andrée biß sich auf die Lippen.
»Mein Bruder schien nicht so ungläubig«, sagte sie.
»Es wäre schade«, fuhr die Königin, fort, als hätte sie Andrées Worte nicht gehört. »Dann wäre das Herz des jungen Mannes nicht so rein, wie ich gedacht hatte. Aber warum sollte er glauben, da er mich doch auch gesehen hat? Hinter all dem steckt etwas, das ich aufklären muß.«
Sie läutete und befahl, augenblicklich den Polizeipräfekten zu holen.
Herr de Crosne
Herr de Crosne, der ein sehr höfl icher Mann war, fand sich seit der Erklärung des Königs und der Königin in höchster Verlegenheit.
Es ist keine geringe Schwierigkeit, alle Geheimnisse einer Frau genau zu kennen, vor allem wenn diese Frau die Königin ist, die Interessen der Krone zu vertreten und eine Reputation zu schützen.
Herr de Crosne war sich bewußt, daß er das ganze Gewicht des Zorns einer Frau und der Empörung einer Königin würde zu tragen haben, doch er hatte sich mutig hinter seiner Pfl icht ver-schanzt, und seine höfl ichen Manieren mußten ihm als Panzer dienen, die Wucht der Schläge abzufangen, die ihn treffen würden.
Mit einem Lächeln auf den Lippen trat er ein.
Die Königin allerdings lächelte nicht; erbittert forderte sie Aufklärung der merkwürdigen Vorkommnisse, die ihren Ruf belasteten und hinter denen sie eine Doppelgängerin vermutete.
Herr de Crosne, der von einer solchen nichts wußte, hielt entgegen, daß eine Ähnlichkeit, so groß sie immer sein mochte, ein geübtes Auge dennoch nicht irreführen könnte.
Die Majestät verwies auf die Täuschung, der man nicht nur in den Räumen Mesmers, sondern der kürzlich sogar ihr Schwager und nahe Freunde erlegen waren.
Hier pfl ichtete Andrée der Königin bei, indem sie berichtete, daß es im Haus ihres Vaters, als die Familie noch in Taverney-Maison-Rouge wohnte, eine Bediente gab, die der Königin täuschend ähnlich sah.
»Und was ist aus dem Mädchen geworden?« fragte die Königin.
»Da wir die Großherzigkeit und die überlegene Denkungsart Eurer Majestät noch nicht kannten, fürchtete mein Vater, diese Ähnlichkeit könne der Königin mißfallen, und als wir
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