Das Halsband der Königin
verzehrenden, schwärzenden Zungen geleckt hatte.
Auch wer die schmerzliche Geschichte Balsamos und Lorenzas nicht kannte, hätte sich nicht enthalten können, angesichts dieser Ruinen Trauer zu empfi nden. Alles sprach hier von vernich-teter Größe, erloschenem Glanz, verlorenem Glück.
Cagliostro indes, nachdem er alles überschaut hatte, meinte, seiner Schwäche genug gefrönt zu haben und mit seinen Erinnerungen abschließen zu können, als sein Blick auf einen kleinen, noch blanken Gegenstand fi el. Er bückte sich und hob mit zitternder Hand aus dem dicken Staub eine Silberspange, die eben erst aus den Haaren einer Frau sich gelöst zu haben schien.
Der Philosoph, der Gelehrte, der Prophet und Menschenver-
ächter, er, der den Himmel herausgefordert, der so viel eigenen Schmerz in sich unterdrückt und den Herzen der anderen so viele Blutstropfen abgefordert hatte, Cagliostro der Atheist, der Scharlatan, der lachende Zweifl er, hob diese Spange auf, führte sie an seine Lippen und murmelte unter Tränen: »Lorenza!«
Dann aber, nachdem er die heilige Reliquie glühend geküßt, streckte er den Arm durch das Fenstergitter und schleuderte das zarte Metallstück in den Hof des benachbarten Klosters, ins Gesträuch oder in den Staub, gleichviel.
»Leb wohl, Erinnerung«, sprach er, »von nun an will ich einzig der Zukunft leben und mein Werk auf dieser Erde besorgen.
Ja, dieses Grabmal der Verlorenen soll verschwinden und neuen Zwecken weichen. Wieder wird eine Frau hier wohnen, in diesem Hof sich ergehen, vielleicht singen unter diesem Gewölbe, wo Lorenzas letzter Seufzer verhallt ist.«
Von einem Fenster der zweiten Etage stellte er befriedigt fest, daß Jeanne de La Motte von ihrer hohen Wohnung her volle Einsicht in den Bereich der neuen Bewohnerin dieses Hauses haben würde.
Eine gute Stunde nach seiner Heimkehr hatte er alle Anweisungen für den Architekten, der den Umbau durchführen sollte, bis in jede Einzelheit notiert. – Binnen acht Tagen sollten die Arbeiten abgeschlossen sein.
Jeanne als Beschützerin
Zwei Tage nach seinem Besuch bei Boehmer erhielt Herr de Rohan das folgende Billett:
»Seine Eminenz, der Herr Kardinal Rohan, weiß zweifellos, wo er heute abend speist.«
Dieses Billett kam, wie es der Kardinal leicht erriet, von Jeanne.
Madame de La Motte hatte unter den fünf Lakaien, die ihr in ihrem kleinen Reich zur Verfügung standen, ihr Augenmerk auf einen Burschen gelenkt, dessen lebhafte schwarze Augen und ins Gelbe spielende Gesichtsfarbe, wie sie Gallenkranken eignet, der scharfen Beobachterin einen tatkräftigen, klugen und erfi nderi-schen Charakter verhießen.
Sie hatte diesen Mann kommen lassen und binnen einer Viertelstunde von seiner Gelehrigkeit und seinem Scharfsinn erreicht, was sie wünschte. Er folgte dem Kardinal überallhin, wohin Seine Eminenz die Schritte lenkte, und so entging ihm auch nicht, daß Herr de Rohan in zwei Tagen zweimal bei den Juwelieren Boehmer & Bossange gewesen war. Jeanne wußte nun genug.
Ein Rohan feilschte nicht. Ein Geschäftsmann wie Boehmer ließ sich einen solchen Kunden nicht entgleiten. Das Halsband war also gekauft, von dem Kardinal gekauft, und er hatte seiner Geliebten, seiner Vertrauten, kein Wort davon gesagt. Das war ein bedenkliches Zeichen.
Jeanne runzelte die hübsche Stirn, kniff die zarten Lippen ein und verfaßte jene Einladung, die der Kardinal lächelnd betrachtete und anzunehmen beschloß.
Er schickte einen Korb mit Tokayer und einigen Delikatessen voraus, als ob er bei der Guimard oder der Dangeville speisen sollte: Die Nuance entging Jeanne nicht, und sie ließ von den Dingen absichtlich nichts auftragen.
Nach dem Souper, als man ungestört war, eröffnete sie das Gespräch mit einer gewissen Vertraulichkeit.
»Wahrhaftig, Monseigneur«, sagte sie, »ein Umstand bedrückt mich. Es ist mir unlieb, sehen zu müssen, daß Sie mich nicht mehr lieben oder nie geliebt haben.«
»Gräfi n, was sagen Sie da!«
»Keine Ausfl üchte, keine Entschuldigungen, Monseigneur! Das wäre verlorene Zeit.«
»Für mich«, antwortete galant der Kardinal.
»Nein, für mich«, sagte Jeanne kurz. »Übrigens, seien Sie des-wegen unbesorgt, Monseigneur, es läßt mich vollkommen kalt.«
»Es läßt Sie kalt, ob ich Sie liebe oder nicht liebe?«
»Gewiß.«
»Und warum das?«
»Weil auch ich Sie nicht liebe.«
»Wissen Sie, Gräfi n, daß diese Mitteilung nicht sehr verbind-lich ist?«
»Allerdings, wir sagen uns keine
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