Das Halsband der Königin
Villette die Königin, den Kardinal und die Juweliere in Sicherheit gewiegt hatte, war ihr Plan, sich mit einem Edel-steinhändler in Verbindung zu setzen, einzelne Diamanten im Wert von hunderttausend Francs zu verkaufen und damit nach England oder Rußland zu fl iehen. Fünf, sechs Jahre würde sie mit einem solchen Vermögen aufs beste leben können. Nach Ablauf dieser Frist konnte man in aller Ruhe die übrigen Steine nach und nach veräußern.
Indessen ging nicht alles nach ihren Wünschen. Schon die ersten Fachleute gaben Zeichen einer solchen Verwunderung, daß die Gräfi n sich schnell zurückzog. Ein Juwelier bot eine erbärmliche Summe, ein anderer erklärte, er habe Steine von solcher Schönheit nur in Boehmers Halsband gesehen. Jeanne wußte, daß ihr der Pranger und lebenslängliches Gefängnis drohten, wenn sie nur einen Schritt weiter ging. Also verschloß sie das Geschmeide sorgsam und, bereitete sich auf einen erbitterten Kampf vor. Als letzter Ausweg blieb ihr immer noch die Flucht.
Es war keine leichte Aufgabe, das nimmermüde Verlangen des Kardinals, stets Neues von der Königin und ihrer Dankbarkeit zu erfahren, recht lange hinzuhalten, ohne daß er auf eine neuerliche Begegnung mit Marie-Antoinette drang. Zu befürchten stand au-
ßerdem, daß die geschwätzige Königin sich ihres Opfers rühmte und daß die Nachricht davon den Kardinal wie die Juweliere erreichte. Jeanne mußte also schnell handeln, wollte sie nicht un-tergehen. Die Falle mußte so gestellt werden, daß, selbst wenn der Diebstahl entdeckt würde, sowohl die Königin als auch der Kardinal sich zum Schweigen gezwungen sähen.
Das sind gewiß ernste Gedanken und triftige Entschuldigungen für eine Frau, die mehrere Stunden lang nicht den Kopf bewegt.
Hätte Nicole etwas von diesen schwerwiegenden Überlegun-gen geahnt, sie hätte sich nicht so enttäuscht und zornig mit ihren Blumen befaßt und hätte auch nicht aus Versehen einen Balsaminentopf vom Balkon gestoßen, der mit schrecklichem Getöse auf dem Pfl aster der öden Straße zersprang. Doch eben dieses Ereignis weckte die fremde Dame aus ihrem Brüten. Ihr Blick suchte den Urheber des Lärms, und sie entdeckte oben auf der Gartenterrasse des Hauses Cagliostro Oliva, die sich erschrok-ken übers Geländer beugte. Die Augen der beiden Nachbarinnen begegneten einander, und Jeanne begriff, daß sie hier fand, was sie so verzehrend gesucht hatte.
Die schöne Nachbarin empfi ng von Jeanne zu ihrer Beglückung nun die freundlichsten Blicke, zärtliche Kußhände, man rief sich vorsichtig sogar Worte zu. Bald schoß Jeanne mittels einer Arm-brust an ein Bleistück gebundene Briefchen zu Oliva hinüber.
Oliva ließ einen Faden zur Straße hinab und band beschriebene Papierkügelchen daran. Und eines Abends, als Cagliostro sie besuchte, nahm sie von seinem Schlüssel heimlich einen Wachs-abdruck. Einer nächtlichen Spazierfahrt der neuen Freundinnen stand nichts mehr im Wege.
Das Stelldichein
Kaum war Herr de Charny auf seinen Gütern eingetroffen, als ihn die Unruhe ergriff, nach Versailles zurückzukehren. Wenigstens in der Nähe der Königin wollte er sein, wenn er auch nicht vor sie hintreten durfte. Seine Wunde heilte schnell. Nach drei Tagen unternahm er Ausfl üge auf einem sanften, raschen Pferd. Durch Vermittlung seines Kammerdieners hatte er am Rand des Parks von Versailles ein abgeschiedenes Haus mieten lassen, das der Königliche Oberjägermeister bewohnt hatte, ehe er sich die Kehle durchschnitt. Herrn Charny in seiner romantischen Verliebtheit behagte dieses Haus über die Maßen. Er suchte es auf, sooft er konnte.
Binnen vierzehn Tagen kannte er alle Gewohnheiten der Schloß-
bewohner und der Wachen, wußte die Stunde, da die Vögel am Teich zu trinken pfl egten und die Damhirsche scheu zur Quelle kamen. Er wußte, wann die Königin mit ihren Damen spazierenging, er erkannte sie auf eine Viertelmeile an ihrer Haltung, ihrem Gang, er kannte alle ihre Kleider. Nachts beobachtete er die glänzenden Lichter in den Fenstern der Königin, sah ihren Schatten und zehrte liebestrunken und überspannt von seinen Erinnerungen und Hoffnungen.
Eines Nachts hörte er das Geräusch eines Schlüssels, der sich kreischend in einem Schloß bewegte. Er eilte an seinen Beobachtungsposten und lauschte. Vom Versailler Kirchturm schlug es zwölf. Jenes widerspenstige Schloß gehörte zu einer kleinen Parkpforte, die etwa fünfundzwanzig Schritt von Charnys Haus entfernt war und
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