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Das Halsband der Königin

Das Halsband der Königin

Titel: Das Halsband der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Baumwipfel der Boulevards, die Häuser des Quartier Popincourt und die Kamine, einen wogenden Ozean von Rauch, der sich über die Stadt breitete.
    Bald wurde sie kühner und beugte sich, der Gefahr zum Trotz, daß Herr de Crosnes Spürhunde sie erspähen konnten, über das Geländer, um in die Straße hinabzublicken oder ihre weitere Umgebung anzuschauen.
    Da sah sie die Nußbäume von Ménilmontant, die hohen Bäume des Friedhofs, die zahllosen bunten Häuser, rings von Grün um-schmiegt, die von Charonne bis zu den Buttes Chaumont den Hügel überzogen.
    Da und dort, auf schmalen Wegen sah sie winzige Lebewesen, Bauern, die ihre Esel vor sich her trieben, Kinder, die auf den Feldern arbeiteten, Winzerinnen, die in den Weinbergen schafften. Dieses ländliche Idyll entzückte Nicole, die in dem so sehr ersehnten Paris nach der schönen Landschaft von Taverney sich doch stets zurückgesehnt hatte.
    Endlich hatte sie auch die liebliche Landschaft satt und wandte ihre Aufmerksamkeit den Häusern der Umgebung zu, die sie aus sicherer Position, in ihren Blumen verborgen, betrachten konnte.
    Die meisten Fenster waren geschlossen, mochten die Mieter ver-zogen oder aufs Land gereist sein. Manchmal hängte ein einsam dort hausender Diener den Vogelkäfi g nach draußen. Mehr war nicht zu beobachten, und Oliva-Nicole hätte sich zu Tode gelangweilt, wäre ihr nicht im dritten Haus zur Linken ein Fenster mit gelbseidenen Vorhängen aufgefallen, hinter dem ein weicher Lehnstuhl, gleichsam ein Symbol des Wohllebens, einen Träumer oder eine Träumerin zu erwarten schien.
    Oliva meinte, in diesem Zimmer regelmäßige Bewegungen eines ruhelosen Schattens zu erkennen. Sie begrenzte ihre ganze Ungeduld auf dieses Fenster. Endlich nahm eine Frau in dem Lehnstuhl Platz. Sie hatte ihren Kopf der Haarkünstlerin überlassen, die eineinhalb Stunden benötigte, um auf ihrem Schädel eines der babylonischen Gebäude aufzurichten, in dem es nicht einmal an Mineralien und Vegetabilien fehlte und die sogar von Tieren bewohnt gewesen wären, hätte der Friseur Ihrer Majestät, der kunstreiche Léonard, das Beispiel gegeben und hätte eine Frau jener Zeit eingewilligt, auf ihrem Kopf eine Arche Noah herumzutragen.
    Als die Frau frisiert, gepudert, mit Spitzen und Putz geschmückt war, hatte sie sich wieder in ihren Lehnstuhl zurückgelegt, nachdem der Kopf durch harte Kissen gestützt worden war, die das Gleichgewicht des ungeheuerlichen Aufbaus zu halten vermoch-ten.
    Jetzt glich die regungslose Frau jenen indischen hockenden Götzen, die in ihrer Reglosigkeit nur die Augen in den Höhlen bewegen. Oliva bemerkte, wie hübsch die Dame war, sie sah den zarten Fuß, der, auf das Fensterbord gestellt, in einem kleinen rosa Seidenpantoffel stak, den rundlichen Arm und den Busen, der das Korsett und den Pudermantel wölbte.
    Was ihr aber besonders auffi el, war die Tiefe dieses beständig und herrisch auf einen einzigen Gedanken gerichteten Blicks.
    Diese Frau, die unsere Leser sicherlich bereits erkannt haben, ahnte nicht, daß sie beobachtet wurde. Nie waren die Fenster des Hauses Cagliostro geöffnet worden. Ungestört konnte sie sich in ihre Gedanken vergraben, und die naive Oliva bildete sich ein, daß diese schöne, in sich versunkene Person über eine unglückliche Liebe nachsinne.
    Rasch hatte sie sich einen ganzen Roman ausgesponnen, dessen Heldin ihre schöne Gefährtin in der Langenweile war, und all ihre Sympathie eilte auf Feenfl ügeln der Fremden entgegen. Doch die Dame mit dem Haargebäude rührte sich nicht, sie schien an ihren Lehnstuhl festgewachsen. Zwei Stunden vergingen, ohne daß ihre Haltung auch nur um einen Grad sich verändert hätte.
    Oliva war verzweifelt, daß ihr Blick nicht die mindeste Wirkung auf jene Dame ausübte, und ihre zärtliche Anteilnahme verkehr-te sich in Haß. Mein Gott, wie hochmütig, wie eitel mußte diese Person sein! Schmollend wandte sie sich von ihr ab und kehrte sich ihren Blumen zu, liebenswürdigeren Gespielinnen in ihrer Verlassenheit. Nicole konnte ja nicht wissen, daß jene vermeint-liche Stolze niemand anders war als Jeanne de Valois, die, in ihrer einstigen Wohnung versteckt, seit dem Vorabend nach einer Idee suchte, wie sie verhindern könnte, daß Marie-Antoinette und der Kardinal einander noch jemals begegneten, daß aber der Kardinal, ohne die Königin je zu sehen, fest überzeugt werden mußte, daß er sie sehe.
    Als sie das Halsband unterschlagen und mit Hilfe des Herrn Réteaux de

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