Das Halsband der Königin
Peinlichkeiten ich mich nur zu leicht hätte aussetzen können. Nein, opfern wir unsere Eitelkeit auf dem Altar der Pfl icht. Dieses Halsband, so schön es war, ist von nun an für mich nur mehr ein Haufen Steine, und mit Steinen tut man, was die Kinder tun, wenn sie damit gespielt haben, man wirft sie weg oder vergißt sie.«
»Was wollen Majestät damit sagen?«
»Daß Sie, liebe Gräfi n, das Etui mit dem Schmuck, das Herr de Rohan mir überreicht hat, den Juwelieren Boehmer & Bossange zurückbringen sollen.«
»Aber Eure Majestät haben zweihundertfünfzigtausend Francs angezahlt!«
»Desto besser, so gewinne ich eine Viertelmillion zurück und bin mit meinen Finanzen im Einklang.«
»Madame«, rief die Gräfi n, »die Viertelmillion werden Sie verlieren! Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Juweliere über das Geld schon verfügt haben und sich weigern, es wieder heraus-zugeben.«
»Dann überlasse ich es ihnen als Angeld, wenn sie nur von dem Vertrag zurücktreten. Mit zweihundertfünfzigtausend Francs Reugeld sind sie gut bedient, sie werden sich nicht beklagen, und niemand wird von der Geschichte etwas erfahren. Tragen Sie das Halsband fort, Gräfi n, und danken Sie Herrn de Rohan für seinen guten Willen. Er ist ein verständiger Mann und ein Priester, er wird meine Handlung billigen.«
Die Königin verfügte so gebieterisch, daß Jeanne keinen weiteren Einspruch wagte. Sie versprach, zuerst nach Hause zu fahren, ehe sie die Juweliere aufsuchte, um nicht den Argwohn der Polizei zu erregen, und barg das Etui in ihrer Mantille.
Anderntags erhielt die Königin ein Schreiben von Jeanne, dem der Empfangsschein der Juweliere beigefügt war. Dieses wichtige Dokument lautete:
»Die Unterzeichneten bestätigen, das Diamantenhalsband, das Ihrer Majestät der Königin zum Preis von einer Million sechs-hunderttausend Francs verkauft worden war, zurückgenommen zu haben, da die Diamanten Ihrer Majestät nicht mehr gefi elen. Die uns geleistete Anzahlung von zweihundertfünfzigtausend Francs ist uns als Entschädigung und Reugeld überlassen worden.«
Beruhigt verschloß die Königin diese Quittung in einer Schublade und dachte nicht weiter daran.
Daß der König jenen Betrag auf Herrn de Calonnes Liste gestrichen hatte, war schon anderntags in Paris das Tagesgespräch.
Der Kardinal Rohan geriet in schwere Besorgnis. Als er zwei Tage später den Juwelieren Boehmer & Bossange einen Besuch machte, um zu hören, ob die Zahlung der ersten Rate, für die er sich verbürgt hatte, seitens Ihrer Majestät dennoch erfolgt war, vernahm er, daß die Herren zwar kein Geld, dafür aber ein Schriftstück der Königin erhalten hatten, worin sie um einen Zahlungs-aufschub gebeten wurden. Es war eine Schuldverschreibung, die sie vollkommen zufriedenstellte. Boehmer & Bossange versicher-ten dem Kardinal, daß sie sich geehrt fühlten, von Ihrer Majestät der Königin einen solchen Vertrauensbeweis empfangen zu haben. Sie gelobten, das unbedingte Stillschweigen über diese Affäre, zu dem die Königin sie verpfl ichtet habe, getreulich einzuhalten, und erfreut schied der Kardinal von den Juwelieren.
Jeanne de La Motte aber war nach ihrem Besuch bei der Kö-
nigin nach Hause gefahren, wie es ihr befohlen war, dann hatte sie nach stundenlangem Brüten eine unscheinbare Robe angelegt und war zu später Abendzeit in einem Fiaker zum Haus des Zeitungsschreibers Réteaux de La Villette geeilt.
Die Gefangene
Oliva hatte die Annehmlichkeiten ihres neuen Kerkers zu Anfang entzückt genossen, allmählich aber langweilte sie sich. Eine Frau wie Oliva konnte sich nicht vorstellen, daß man sie einer Gefahr und ihrem Liebhaber entzogen und in eine luxuriöse Behausung einquartiert hatte, ohne von ihr etwas anderes als Liebe zu wollen.
Doch der Graf, so fürsorglich er bemüht war, ihre Wünsche zu erfüllen, betrug sich gegen sie mit so gleichbleibendem Respekt, daß sie ihn nicht begriff. Von ihrem Beschützer wußte sie unterdessen, daß auch Beausire sich vor der Polizei verstecken muß-
te und daß von ihm keine Befreiung aus ihrer Einsamkeit zu erwarten war.
Zur Entschädigung für ihre früheren Spaziergänge, bei denen sie mit wohligem Behagen so viele bewundernde und begehrli-che Blicke auf sich gezogen hatte, stand ihr im Oberstock eine Terrasse zur Verfügung.
Bequem gelagert, nahm sie hier zum Frühstück ihre Schokolade, die ihr die Zofe gebracht hatte, und las eine Zeitung, dann betrachtete sie durch das Balkongitter die
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