Das Halsband der Königin
der närrische alte Mann seine ehrgeizigen Lieblingsideen. Für ihn war der geheimnisvolle Liebhaber der Königin im Park niemand anders als sein Sohn Philippe. Nur wagte er es nicht mehr, diesem seine unumstößliche Überzeugung kundzutun, um nicht einer harten Abfuhr sich auszusetzen.
Philippe hatte sich nach seinen enttäuschenden Erlebnissen bei Hofe entschlossen, an der Weltumsegelung des Herrn de La Peyrouse teilzunehmen, und rüstete zur Reise. Nach den jüngsten Ereignissen hatte er es noch eiliger fortzukommen, denn er wollte die Entehrung der Königin nicht miterleben. Sein ganzer Haß richtete sich gegen seinen glücklichen Rivalen Charny.
Um so tiefer verwundert war er, als völlig unerwartet seine Schwester aus dem Kloster heimkehrte – die Königin hatte Andrée gleich von dort mitgebracht – und ihm strahlend vor Glück mitteilte, daß Charny um sie geworben habe.
Kaum war Andrée heimgekommen und hatte das düstere Haus mit ihrer neuerblühten Schönheit und ihrer Freude erfüllt, als der Graf de Charny gemeldet wurde.
Andrée eilte in ihr Zimmer, um die Klostertracht gegen ein Festkleid zu vertauschen. Von einem Nebenraum her belausch-te Philippe die Unterredung des Grafen mit seinem Vater. Tatsächlich bat Charny den Baron um die Hand seiner Tochter, und als der Alte, der sich über diesen Antrag hoch geehrt erklärte, hinausging, um die Familienpapiere zu holen und den jungen Mann über die Mitgift der Braut zu unterrichten, betrat Philippe den Salon, wo Charny wartete.
»Wie können Sie es wagen, Herr Graf«, sagte er voll Erbitterung,
»meine Schwester zur Frau zu verlangen?«
Charny errötete und wich zurück.
»Wollen Sie auf diese Weise«, fuhr Philippe fort, »Ihre Lieb-schaft mit jener Frau maskieren, die Ihre Liebe erwidert? Oder hoffen Sie, als Gatte einer Frau, die bei Ihrer Geliebten jederzeit Zutritt hat, dem Gegenstand Ihrer Verehrung näherzukom-men?«
Charny taumelte. Philippe betrachtete ihn mit vernichtendem Blick. Charny, dessen Gesicht sich mit tödlicher Blässe überzogen hatte, zwang sich zur Ruhe.
»Mein Herr«, sagte er, »auch wenn Sie mich der Niedertracht be-zichtigen, bitte ich Sie, gerade Sie, um die Hand Ihrer Schwester.
Wenn ich diesen Schritt um meinetwillen, aus feiger Berechnung täte, wäre ich ein Elender, der Ihre Verachtung verdient, aber ich tue ihn, um die Königin zu retten. Die Königin ist in Gefahr.«
Und er erklärte Philippe, was an diesem Morgen geschehen war und daß er die Königin nicht Lügen strafen könne.
Seine Rede wurde durch ein dumpfes Geräusch aus dem Nebenraum unterbrochen. Beide, Philippe und Charny, stürzten dorthin. Andrée, die zusammengebrochen war, lag in ihrem Brautkleid wie leblos am Boden.
Die Viper
Madame de La Motte, wir erinnern uns, war die Entführung Olivas mißglückt, und so viele gemietete Spione sie aussand-te, die Verschwundene aufzuspüren, der Erfolg blieb ihr versagt.
Sie geriet darüber in unbeschreibliche Angst, und da ihr Befehl auf Befehl überbracht wurde, bei der Königin zu erscheinen, beschloß sie, einige Tage unterzutauchen, um ihre Lage gründlich zu durchdenken.
Verschleiert und bei Nacht begab sie sich nach Bar-sur-Aube, wo sie ein kleines Absteigequartier unterhielt. In dieser Abge-schiedenheit genügten ihr zwei Tage, ihre Ängste zu bändigen, neue Kraft zu fi nden und das Gebäude ihrer Verleumdungen zu befestigen.
Die Polizei konnte dem Hof von ihrem Aufenthalt in Bar-sur-Aube erst Mitteilung machen, als Jeanne bereits zum Kampf ge-rüstet war.
Durch ihre Flucht hatte sie die Verhaftung des Kardinals verspä-
tet erfahren. Jede andere Frau hätte jetzt aufgegeben, aber Jeanne begriff nur, daß sie nun niemanden mehr zu schonen brauchte.
Die Königin, so rechnete sie kaltblütig, hat es verschmäht, sich mit dem Kardinal im stillen zu vergleichen und die Juweliere zu bezahlen, das heißt, sie hat contra angesagt. Sie unterschätzt die Kräfte, die mir zu Gebote stehen.
So weit war Jeanne, als ein Offi zier der Geheimpolizei bei ihr erschien und mitteilte, daß er sie an den Hof zu führen habe.
Man stelle sich nun Marie-Antoinette vor, ihren unsäglichen Groll, ihren kaum verhohlenen Zorn, ihr Triumphgefühl, als dieser Dämon vor sie hintrat, den sie noch nicht zur Genüge kannte, dessen verhängnisvollen Einfl uß auf ihr Geschick sie jedoch mit geheimem Grauen ahnte. Endlich mußte die Wahrheit ans Licht kommen, endlich würden alle die abscheulichen, rätselvollen
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