Das Handwerk des Toetens
sein Schreiben durcheinanderbrachte, sobald er sich einmal an die Arbeit gemacht hatte, und wenn ich daran denke, wie sicher er sich war, auf dem richtigen Weg zu sein, als er die Verbindung zwischen ihr und dem Unglück im Kosovo hergestellt hatte, erscheint mir alles davor wie bloßes Geplänkel, unsere Gespräche über sie wie ein allzu langer Vorspann zu seiner Geschichte.
Allmayer und Helena hatten sich ein einziges Mal ein paar Wochen vor seinem Tod getroffen, und was Paul mir davon erzählte, war nicht erhebend. Offenbar hatte er ihn mit ihr in seiner Redaktion aufgesucht, und sie waren irgendwo im Hafen etwas trinken gegangen, in einem Lokal, von dem er mir mehrmals versicherte, daß er sich nicht an seinen Namen erinnerte, als käme es darauf an. Es war kaum mehr als eine Stunde gewesen, die sie zusammen verbracht hatten, und doch lang genug, daß er fast hätte dazwischengehen müssen, wie er sagte, so wenig verstanden die beiden sich, aber wenn ich ihn in diesem Ton reden hörte, erschien es mir, als wollte er seine eigene Rolle in den Vordergrund stellen.
Vielleicht war der Anlaß eine Banalität, die Tatsache, daß Allmayer ihn als erstes auf seine Frau angesprochen haben muß, gefragt, ob er sie noch sah oder ob er seit der Trennung keinen Kontakt mehr zu ihr hatte, während Helena auf der Toilette war, und das nur, um ihn im nächsten Augenblick als Weiberhelden hinzustellen.
»Du kannst es nicht lassen.«
Natürlich war das eine Boshaftigkeit, auf die er angeblich aber nicht reagierte, sich darauf beschränkte, ihn anzusehen, als wüßte er, was folgen mußte.
»Allem Anschein nach bist du noch immer hinter jedem Rock her«, bekam er dann an den Kopf geworfen. »Zum Glück hast du wenigstens ein ganz besonders schönes Exemplar an Land gezogen.«
Ich habe Paul sonst selten so erregt gesehen, aber kaum hatte er den Satz zitiert und hinzugefügt, ob der Gute tot war oder nicht, das sei zu viel, verwahrte er sich auch schon dagegen, Helena habe diesen Umgang nicht verdient.
»Du kennst sie«, sagte er, als wäre er plötzlich unsicher geworden. »Sie ist doch nicht jemand, den man einfach beleidigt.«
Genau das hatte Allmayer aber getan, hatte sie gefragt, ob ihre Eltern das Schachbrett über dem Bett hängen hatten, das rotweiß karierte kroatische Wappen, kaum daß das Stichwort gefallen war und er damit wußte, woher sie stammten, offenbar ein Fressen für ihn, weil er sich sofort darüber ausließ, für welche Ungeheuerlichkeiten es im Zweiten Weltkrieg gestanden war, und nicht mehr aufgehört habe, bis sie es persönlich nahm und hilflos begann, sich zu rechtfertigen. Ihre Art sei ihm von Anfang an zuwider gewesen, wahrscheinlich allein schon dadurch, wie sie angezogen war, in einem viel zu engen, lackglänzenden, schwarzen Jäckchen, in dem sie sich fast nicht rühren konnte, wenn sie versuchte, die Hand nach ihrem Glas auszustrecken, und ihn ihre Bewegungen an das eckige Hin und Her einer Puppe erinnert hätten. Als er hörte, daß sie für eine Modefirma arbeitete, war sie bei ihm schon verloren, von da an habe sein ganzes Reden darauf abgezielt, sie in eine Ecke zu stellen, ihr zu beweisen, wie falsch alles war in ihrem Leben, und er verirrte sich dabei in ein Vokabular, das ihm aus seiner Studentenzeit geblieben sein mußte, habe tatsächlich etwas vom Unterschied zwischen dem äußeren Schein und den inneren Werten daherphantasiert und nicht gemerkt, welch pathetische Figur er damit für sie abgab. Es war ein Wunder, daß sie sich überhaupt verteidigte, denn sie konnte sagen, was sie wollte, er ließ sie abblitzen, konnte nichtsahnend erzählen, sie wohne in Eppendorf, und er entgegnete allen Ernstes, ihm sei das zu bürgerlich, er ziehe etwas weniger Nobles vor, konnte ihn anstoßen und mit spöttisch kindlicher Stimme flehen, er solle sich doch nicht so anstellen, es half nichts, er zog seinen Arm zurück und sah sie zuletzt nicht einmal mehr richtig an.
Ich erinnere mich noch genau, wie Paul sagte, es habe etwas regelrecht Inquisitorisches gehabt, als Allmayer sie fragte, wo sie dieses Jahr Ostern verbracht hatte, und sie antwortete, am Meer in Dalmatien, im Haus ihrer Eltern, um erst nach langem Hin und Her seinem Drängen nachzugeben, wo genau das war.
»Kennst du Primošten?«
Es dürfte wie eine Beleidigung für ihn gewesen sein, geradeso, als wollte sie damit anzweifeln, daß er überhaupt etwas über das Land wußte.
»Natürlich kenne ich es.«
Das war die einzig
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