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Das Harvard-Konzept

Das Harvard-Konzept

Titel: Das Harvard-Konzept Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Fisher
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bei der Entwicklung eines Übereinkommens, |56| die Grundsätze der Verhandlungspartner und das Image, das sie von sich haben, zu berücksichtigen. Die Wichtigkeit solchen Vorgehens sollte nicht unterschätzt werden.
    Emotionen
    Besonders bei harten Auseinandersetzungen im Rahmen von Verhandlungen sind mitunter Gefühle wichtiger als das Gespräch. Die Parteien sind möglicherweise eher zum Kampf bereits als zur kooperativen Lösung eines gemeinsamen Problems. Oft bemerken die Menschen erst bei der Verhandlung, wie scharf die Trennlinien sind, und sie fühlen sich bedroht. Emotionen der einen Seite lösen dann Emotionen auf der anderen aus. Angst erzeugt manchmal Ärger und Ärger wiederum Angst. Emotionen führen Verhandlungen oft recht schnell in eine Sackgasse oder zum Abbruch.
    Zuallererst muss man Emotionen erkennen und verstehen – die der anderen und die eigenen
    Beobachten Sie sich selbst einmal während der Verhandlung. Fühlen Sie sich nervös? Haben Sie Magendrücken? Ärgern Sie sich über die Gegenseite? Dann hören Sie mal den anderen zu und finden heraus, welche Emotionen sie haben. Am besten schreiben Sie sich auf, was Sie tatsächlich fühlen – Angst, Unruhe, Ärger –, und danach, wie Sie sich eigentlich fühlen wollen – zuversichtlich, entspannt. Dann machen Sie dasselbe für die Gegenseite.
    Verhandelt man mit Menschen, die eine Organisation repräsentieren, gerät man leicht in Gefahr, sie nur als Sprachrohr anzusehen – so als hätten sie keinerlei Gefühle. Man muss sich daher ständig daran erinnern, dass Menschen auch in dieser Funktion – wie Sie – persönliche Gefühle haben, Ängste, Hoffnungen, Träume. Vielleicht steht ihre Karriere auf dem Spiel. Mitunter gibt es Punkte, |57| auf die sie besonders empfindlich reagieren, und andere, auf die sie besonders stolz sind. Emotionale Probleme haben übrigens nicht nur die unmittelbaren Verhandlungspartner. Auch ihre Auftraggeber haben Emotionen. Und mancher Auftraggeber schätzt vielleicht die Situation viel einfacher oder ungünstiger ein.
    Fragen Sie sich nach der Ursache der Emotionen. Warum sind Sie ärgerlich? Warum sind es die anderen? Wirken Gefühle aus früherem Verdruss nach, sinnt der andere etwa auf Rache? Schwappen Emotionen von einem Streitpunkt zum anderen hinüber? Wirken häusliche Probleme in die geschäftlichen Dinge hinein? Ein Beispiel: Bei den Verhandlungen im Nahen Osten haben sowohl die Israelis als auch die Palästinenser Existenzängste. Sie entwickeln starke Emotionen, die nun sogar ihre höchst konkreten praktischen Streitfragen bestimmen, wie etwa die Wasserverteilung am Westufer des Jordan. Es ist fast unmöglich, dass die Parteien miteinander reden und Lösungen finden. Die Menschen dort sehen im Ganzen ihr Leben bedroht – und ordnen daher auch jede kleine Streitfrage in diese Überlebensprobleme ein.
    Artikulieren Sie Ihre Emotionen und erkennen Sie deren Berechtigung an
    Sprechen Sie mit den Menschen auf der Gegenseite über deren Gefühle. Sprechen Sie auch über Ihre eigenen. Es verletzt niemanden, wenn man sagt: »Wissen Sie, unsere Leute fühlen sich schlecht behandelt und sind daher erregt. Wir fürchten, dass ein Vorschlag für die Einigung nicht angenommen wird, auch wenn wir hier eine Übereinkunft zustande bringen. Das mag vernünftig sein oder nicht, wir müssen jedenfalls diese Sorge haben. Ich selbst teile die Befürchtungen nicht, aber andere haben diese Gefühle eben. Ist das bei Ihnen auch so?« Wenn Sie Ihre Gefühle oder die der Gegenseite zum Diskussionsgegenstand machen, so unterstreicht das nicht nur den Ernst der Lage. Die Verhandlungen werden weniger reaktiv, sondern |58| vielmehr aktiv sein. Haben sich die Menschen erst einmal ihre unausgesprochenen Emotionen von der Seele geredet, werden sie sich viel lieber dem Problem selbst zuwenden.
    Gestatten Sie der Gegenseite, Dampf abzulassen
    Oft sollte man am besten die anderen darin unterstützen, den Ärger, die Frustration und die anderen negativen Emotionen dadurch abzubauen, dass man den Gefühlen Luft verschafft. Seelische Erleichterung erreicht man einfach dadurch, dass man seinen Kummer artikuliert. Wenn Sie nach Hause kommen und Ihrem Ehepartner erzählen wollen, was heute im Büro alles schiefgelaufen ist, steigt Ihre Frustration sicher noch mehr, wenn der dann sagt: »Belästige mich bitte nicht damit. Ich glaube ja, dass du einen harten Tag gehabt hast. Aber lassen wir das.« Das gilt auch für Verhandlungspartner. Hat

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