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Das Harvard-Konzept

Das Harvard-Konzept

Titel: Das Harvard-Konzept Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Fisher
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gleichberechtigt ist. Möglicherweise kann der Ehemann die 5   000 Euro kaum aufbringen, und eventuell braucht die Frau auch gar nicht so viel – und dennoch wird sie weniger nur dann akzeptieren, wenn ihre Bedürfnisse nach Sicherheit und nach Anerkennung in anderer Weise befriedigt werden.
    Was für Einzelpersonen gilt, trifft ebenso für Gruppen und für ganze Völker zu. Verhandlungen werden kaum Fortschritte zeitigen, solange die eine Seite glaubt, dass die Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse seitens der anderen bedroht ist. Die Vereinigten Staaten verhandelten zum Beispiel mit Mexiko um einen niedrigen Erdgaspreis. Da der Energieminister der USA das Ganze für eine reine Geldsache hielt, weigerte er sich, einer Preiserhöhung zuzustimmen, die ein amerikanisches Ölkonsortium mit den Mexikanern ausgehandelt hatte. Da die Mexikaner zu dieser Zeit keinen anderen zahlungskräftigen Käufer hatten, glaubte der Minister, dass die Gegenseite ihre Preisvorstellungen reduzieren würde. Aber die Mexikaner hatten großes Interesse daran, nicht nur einen guten Preis für ihr Erdgas zu bekommen, sondern auch mit Respekt und einer ausdrücklichen Gleichberechtigung behandelt zu werden. Die Aktion der USA sah mehr nach einer Tyrannisierung Mexikos aus und provozierte enormen Ärger. Die mexikanische Regierung verbrannte ihr Gas lieber als es zu verkaufen, und jegliche Einigung auf niedrigerem Preisniveau wurde nun politisch unmöglich.
    Ein anderes Beispiel: Bei den Verhandlungen über die Zukunft Nordirlands ignorierten die Führer der Protestanten gerne das Bedürfnis der Katholiken sowohl nach einem Zugehörigkeitsgefühl wie nach Anerkanntsein und nach Gleichberechtigung. Umgekehrt gingen die katholischen Führer offenbar häufig zu wenig auf das Bedürfnis der Protestanten nach Sicherheit ein. Eine Lösung wurde nur schwieriger, wenn man die Ängste der Protestanten damit abtat, |81| dass das »ihr Problem« sei, und das Ganze nicht als legitimes Gefühl behandelte, das es wert sei, beachtet zu werden.
    Erstellen Sie eine Liste
    Am besten sortiert man die verschiedenen Interessen aller an der Verhandlung Beteiligten, indem man sie so niederschreibt, als würden sie einen selbst betreffen. Das hilft nicht nur, sich dauernd daran zu erinnen; dadurch wird auch Ihre Einschätzung besser, da Sie neue Informationen bekommen und die Interessen in der vermuteten Reihenfolge ihrer Bedeutung ordnen können. Darüber hinaus mag das auch Vorstellungen darüber hervorbringen, wie man auf diese Interessen eingehen kann.
    Sprechen Sie über die Interessen
    Zweck jeder Verhandlung ist es, Ihren Interessen zu nützen. Dass dies geschieht, wird wahrscheinlich, wenn Sie über Interessen sprechen. Möglicherweise weiß die Gegenseite gar nichts über sie, genauso wie Sie umgekehrt nichts über die Interessen der anderen wissen. Der eine oder der andere (oder beide) fixiert sich vielleicht auf früheren Verdruss statt auf künftige Angelegenheiten. Oder Sie haben einander einfach nicht zugehört. Wie kann man Interessen konstruktiv diskutieren und nicht dabei in rigide Positionskämpfe verfallen?
    Wenn Sie Ihre Interessen von der Gegenseite berücksichtigt sehen wollen, machen Sie den anderen klar, worin diese Interessen liegen. Der Sprecher einer Bürgerinitiative, die sich über ein Bauprojekt in der Nachbarschaft beklagt, sollte explizit über Auflagen sprechen, die die Sicherheit von Kindern und ungestörte Nachtruhe gewährleisten.
    Ein Autor, der seine Bücher in großen Auflagen verkaufen will, |82| sollte mit seinem Verleger darüber sprechen. Der Verleger hat mit ihm das gemeinsame Verkaufsinteresse und kann durchaus bereit sein, ihm einen niedrigen Verkaufspreis zuzusagen.
    Machen Sie Ihre Interessen deutlich
    Wenn Sie mit einem Magengeschwür zum Arzt gehen, können Sie kaum auf Hilfe hoffen, wenn Sie das Ganze als eine leichte Magenverstimmung darstellen. Es ist Ihre Aufgabe, der Gegenseite genau klarzumachen, wie wichtig und legitim Ihre Interessen sind.
    Eine Leitlinie besteht darin, dass man konkret wird. Klare Einzelheiten machen Ihre Darlegung nicht nur glaubwürdig, sie zeitigen auch Wirkung. Zum Beispiel: »Dreimal wäre letzte Woche um ein Haar ein Kind von Ihrem Lastwagen angefahren worden. Am Dienstag früh um halb neun musste Ihr roter Laster stadtauswärts mit mehr als 70 Stundenkilometern ausweichen und hätte beinahe die siebenjährige Loretta John gestreift.«
    Solange Sie nicht den Eindruck erwecken, dass die

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