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Das Harvard-Konzept

Das Harvard-Konzept

Titel: Das Harvard-Konzept Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Fisher
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gilt das Geschäft. Für eine vernünftige Übereinkunft sind neben gemeinsamen auch die unterschiedlichen Interessen grundlegend nützlich, sofern sie einander ergänzen.
    Wie findet man Interessen heraus?
    Der Nutzen des Blicks hinter die Positionen, um Interessen herauszufinden, ist klar. Wie man das macht, weniger. Eine Position mag konkret und deutlich sein. Das dahinter liegende Interesse kann jedoch genauso gut unausgedrückt, ungreifbar und vielleicht sogar in sich widersprüchlich sein. Wie können Sie nun die Interessen erkennen, die bei Verhandlungen eine Rolle spielen (wobei Sie sich darüber klar sein sollten, dass es nicht nur um die Interessen der
anderen
geht, sondern auch um
Ihre eigenen
)?
    |74| Fragen Sie: »Warum?«
    Eine Grundtechnik ist dabei, sich an die Stelle der anderen zu versetzen. Sehen Sie sich jede Position an, die die anderen einnehmen, und fragen Sie: »Warum?« Warum, zum Beispiel, möchte Ihr Vermieter die Miete im Rahmen eines Fünfjahres-Vertrages Jahr für Jahr neu festlegen? Sie werden dann wohl herausfinden, dass er sich vor Preissteigerung schützen will – und das ist eines seiner Interessen. Sie können übrigens den Vermieter auch direkt fragen, warum er diese oder jene Position einnimmt. Aber wenn Sie das tun, fragen sie nicht nach einer Rechtfertigung seiner Position, sondern um die Bedürfnisse, Hoffnungen, Ängste oder Wünsche zu verstehen, die ihn dazu leiten. »Aus welchen Gründen wollen Sie denn den Mietvertrag auf drei Jahre begrenzen, Herr Meier?«
    Fragen Sie: »Warum nicht?« Und denken Sie dabei an die Wahlmöglichkeiten der Gegenseite
    Ein besonders sinnvoller Weg zum Erkennen von Interessen besteht darin, herauszufinden, welche Grundforderungen die Gegenseite von Ihnen selbst erwartet – und dann fragen Sie sich, warum Ihre Verhandlungspartner eben diese Lösung nicht als Ergebnis wünschen. Welche Interessen stehen da im Weg? Wenn Sie die Gegenseite zu einer Sinnesänderung bewegen wollen, ist der Ausgangspunkt zunächst einmal, dass Sie herausfinden, was sie im Sinn hat.
    Ein Beispiel sind die Verhandlungen aus dem Jahr 1980 zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran über die Freilassung der 52 US-Diplomaten und Botschaftsangestellten, die von militanten Studenten als Geiseln festgehalten wurden. Es gab da eine Unmenge ernster Hindernisse für eine Lösung des Konflikts. Das Problem wird jedoch ganz einfach beleuchtet durch einen der Studentenführer. Die Forderung der USA war eindeutig: »Geiseln freilassen!« Während |75| weiter Strecken des Jahres 1980 muss aber für jeden einzelnen Studentenführer eine Alternativtabelle wie die folgende Grundlage seiner Entscheidungen gewesen sein:
    [Bild vergrößern]

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    Wenn ein durchschnittlicher Studentenführer vor solche oder ähnliche Alternativen gestellt war, ist es gut verständlich, warum die militanten Studenten die Geiseln so lange festgehalten haben. So scheußlich und widerrechtlich die Geiselnahme zunächst war – als man die Geiseln einmal hatte, war es keineswegs irrational, wenn die Studenten sie
weiter
gefangen hielten, von einem Tag zum anderen, und dabei auf eine günstige Zeit für ihre Freilassung warteten.
    Wenn man die vorhandenen Wahlmöglichkeiten der Gegenseite herausfinden will, ist die erste Frage: »Wessen Entscheidung will ich beeinflussen?« Die zweite Frage ist, welche Entscheidung die Menschen auf der Gegenseite von sich verlangt sehen. Wenn Sie keine Vorstellung haben, wozu die anderen sich aufgefordert fühlen, machen diese sich umgekehrt wahrscheinlich auch keine. Das alleine könnte schon die Erklärung dafür sein, dass die Gegenseite nicht Ihren Wünschen folgt.
    |77| Analysieren Sie nun die Konsequenzen so, wie sie die Gegenseite aller Wahrscheinlichkeit nach sieht, je nachdem ob sie der von Ihnen verlangten Entscheidung zustimmt oder nicht. Dabei kann Ihnen eine Checkliste der Konsequenzen wie die folgende nützlich sein:
    Rückwirkung auf meine Interessen
Verliere oder gewinne ich politische Unterstützung?
Kritisieren oder loben mich meine Kollegen?
    Rückwirkung auf Gruppeninteressen
Welche kurzfristigen Konsequenzen ergeben sich? Welche langfristigen?
Welche wirtschaftlichen Konsequenzen (politische, juristische, psychologische, militärische etc.) entstehen dabei?
Welche Effekte treten bei den auswärtigen Unterstützern und in der öffentlichen Meinung auf?
Wird das ein guter oder ein schlechter Präzedenzfall?
Könnte diese Entscheidung

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