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Das Harvard-Konzept

Das Harvard-Konzept

Titel: Das Harvard-Konzept Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Fisher
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sie in der weiteren Verhandlung aufgeschlossener sein, denn nun hat sie etwas zu verlieren.
    |169| »Alles, was wir wollen, ist Fairness«
    Turnbull:
Wir möchten nur sicher sein, dass wir nicht mehr bezahlt haben, als wir müssen. Wenn wir davon überzeugt sind, dass die bezahlte Miete fairerweise der abgewohnten Zeit entspricht, ist alles in Ordnung und wir ziehen aus.
     
    Analyse: Hier stellt sich Turnbull auf ein Prinzip und zeigt seine Absicht, davon auszugehen. Man kann ihn nur auf der Basis dieses Kriteriums überzeugen. Gleichzeitig lässt er Frau Jones seine Offenheit gegenüber Überzeugungsarbeit erkennen – sofern diese das Prinzip anerkennt. Daher hat sie kaum andere Möglichkeiten, als mit ihm über Interessen zu verhandeln. Turnbull nimmt hier nicht nur seinen prinzipienbezogenen rechtschaffenen Standpunkt mit aller zur Verfügung stehenden Kraft ein: Nicht nur sein Ziel ist sachbezogen, sondern auch die Wege, die er einschlägt. Sein Ziel, so erklärt er, ist ein fairer Ausgleich zwischen der bezahlten Miete und der im Appartement gewohnten Zeit. Wenn er davon überzeugt ist, zieht er aus. Wenn zu viel bezahlt wurde, ist es nur fair, wenn er in der Wohnung bleibt, bis die Miete und die abgewohnte Zeit ausgeglichen sind.
    »Wir wollen unsere Einigung nicht auf Eigennutz und Macht aufbauen, sondern auf einer sachlichen Grundlage«
    Frau Jones:
Lächerlich, dass Sie Fairness ins Spiel bringen. Denn tatsächlich sagen Sie doch, dass Sie und Paul Geld von uns wollen, und dass Sie Vorteile aus der Tatsache ziehen wollen, dass Sie noch immer in der Wohnung sind. Darüber bin ich verärgert. Wenn es nach mir ginge, würden Paul und Sie heute aus der Wohnung hinausfliegen.
    Turnbull
(unterdrückt unverhohlen seinen Ärger): Ich muss mich wohl nicht deutlicher ausdrücken. Natürlich wäre es schön, wenn Paul und ich Geld bekommen würden. Natürlich könnten wir auch versuchen, so lange in |170| der Wohnung zu bleiben, bis Sie uns herauswerfen lassen. Aber das ist doch nicht der Punkt, Frau Jones.
    Für uns geht es weniger um die paar Dollar, sondern mehr darum, dass wir uns fair behandelt sehen wollen. Keiner fühlt sich gern betrogen. Wenn wir uns darum schlagen, wer die Macht hat und wann wir ausziehen, müssen wir vor Gericht gehen, verlieren eine Menge Zeit und Geld, und das Ganze endet mit Kopfschmerzen. Für Sie übrigens auch. Wer mag das schon?
    Nein, Frau Jones, wir wollen dieses Problem fair und aufgrund entsprechender Kriterien behandeln und nicht als Frage von Macht oder Eigennutz.
     
    Analyse: Frau Jones lehnt sachbezogenes Verhalten ab – sie hält es für eine Scharade. Für sie ist das alles eine Frage der Willenskraft, und ihr Wille ist es, Turnbull und seinen Kameraden so bald wie möglich vor die Türe zu setzen. Beinahe hätte Turnbull darüber seine Geduld verloren – und damit die Kontrolle über die Verhandlung. Am liebsten würde er zurückschlagen: »Sie wollen uns rauswerfen. Dann gehen wir vor Gericht. Und wir werden dafür sorgen, dass Sie Ihre Lizenz verlieren.« Dann würde die Verhandlung abgebrochen. Turnbull würde eine Menge Zeit, Energie und Gemütsruhe verlieren. Aber statt hart zu reagieren, behält Turnbull doch noch die Geduld und wendet die Verhandlung wieder aufs Problem. Ein gutes Beispiel für Verhandlungs-Judo: Er weicht dem Angriff von Frau Jones aus, macht ihre falschen Vorstellungen dafür verantwortlich und sucht sie von seinen aufrichtigen Sachinteressen zu überzeugen. Seine eigenen Interessen und auch seinen Rechtsvorteil verbirgt er dabei keineswegs; im Gegenteil, beides bringt er ausdrücklich ins Spiel. Wenn er sie erst einmal zur Geltung gebracht hat, kann er sie im Weiteren aus dem Streit heraus halten.
    Gleichzeitig betont Turnbull, dass das sachbezogene Verhalten sein Grundprinzip ist – nach dem er stets handelt. Und er bezieht all das nicht auf hehre Motive – die immer suspekt erscheinen müssen –, sondern schlicht auf das Eigeninteresse.
    |171| »Vertrauen steht hier gar nicht zur Debatte«
    Frau Jones:
Trauen Sie mir nicht? Nach all dem, was ich für Sie getan habe?
    Turnbull:
Frau Jones, was Sie für uns getan haben, schätzen wir sehr wohl. Aber Vertrauen steht hier gar nicht zur Debatte. Hier geht es um Grundsätzliches. Haben wir mehr bezahlt als erlaubt ist? Nach welchen Vorstellungen sollten wir das Ihrer Meinung nach entscheiden?
     
    Analyse: Frau Jones sucht Turnbull in die Ecke zu drängen. Entweder bleibt er hartnäckig, dann

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