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Das Harvard-Konzept

Das Harvard-Konzept

Titel: Das Harvard-Konzept
Autoren: Roger Fisher
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Beispiel wird besonders extrem mit der Festlegungstaktik gearbeitet. Ein Nachgeben gibt es gewissermaßen gar nicht. Hier wird paradoxerweise Ihre Verhandlungsposition gestärkt, indem Sie die Entscheidungskontrolle über die Situation verlieren.
    Bei Arbeitskämpfen und internationalen Verhandlungen wird diese Taktik vielfach angewandt. Ein Gewerkschaftsführer erklärt in einer mitreißenden Ansprache seinen Verbandsmitgliedern, dass er auf keinen Fall weniger als 15 Prozent Lohnerhöhung akzeptieren wird. Nun würde er Gesicht und Glaubwürdigkeit verlieren, wollte er sich mit weniger zufrieden geben und kann seine Forderung nach zusätzlichen 15 Prozent den Arbeitgebern gegenüber überzeugender vertreten.
    Aber auf diese Art sich festzulegen ist zugleich auch immer ein Glücksspiel. Unter Umständen schüchtern Sie die Gegenseite wirklich ein, sie macht eine Konzession – und muss diese dann ihrem eigenen Auftraggeber erst einmal verständlich machen.
    Auch hier ist die Art der Vermittlung wieder entscheidend. Sieht zum Beispiel der zweite Dynamitfahrer das aus dem Fenster fliegende Lenkrad nicht oder glaubt, das andere Fahrzeug habe irgendeine Ersatzlenkung, dann hat das Ganze keineswegs den erhofften Effekt. |194| Und dann stehen beide Fahrer unter dem Druck, den Zusammenstoß zu vermeiden.
    Das heißt, Sie müssen als Antwort auf eine solche Taktik die Vermittlungswege (die Kommunikation ganz allgemein) unterbrechen. Oder Sie können die angeblich unveränderbar gewordene Position so interpretieren, als wäre sie gar nicht so unverrückbar. »Ach ja, ich sehe das. Sie haben der Presse mitgeteilt, dass Sie auf das Ziel eines Abkommens über 500   000 Euro hinarbeiten. Wir haben ja alle so unsere Vorstellungen, nehme ich an. Wollen Sie meine mal hören?« Oder Sie können einen Witz loslassen und die Festlegung der anderen Seite einfach nicht ernst nehmen.
    Man kann solche Festlegungen auch sachbezogen zurückweisen: »Schön, Bob, ich verstehe, Sie haben diese Aussage veröffentlicht. Nun entspricht es aber meinen Grundsätzen, niemals Druck nachzugeben, sondern nur vernünftiger Argumentation. Wir wollen also nun über die Sachfragen sprechen.« Was immer Sie auch tun – vermeiden Sie jedenfalls, dass diese Festlegung zu einer zentralen Frage wird. Spielen Sie sie herunter, sodass die Gegenseite sich unauffälliger daraus zurückziehen kann.
     
    Dickköpfige Partner Die wohl am meisten verbreitete Verhandlungstaktik zur Vermeidung eines Nachgebens besteht darin, dass Sie behaupten, Sie selbst würden keine Einwände gegen die Vorschläge haben. Aber der dickköpfige Partner wolle das einfach nicht. »Das ist ein wirklich vernünftiger Gedanke, ich bin ganz der Meinung. Aber meine Frau zieht hier absolut nicht mit mir mit.«
    Durchschauen Sie die Taktik. Sie sollten sie jedoch nicht mit dem Verhandlungspartner diskutieren; sehen Sie zu, dass Sie stattdessen mit ihm über das dahinter stehende Grundprinzip einig werden – wenn es sein muss, schriftlich –, und dann sprechen Sie, wenn möglich, mit dem »dickköpfigen Partner«.
     
    Verzögerungstaktik Häufig schieben Verhandlungspartner die Entscheidung auf, bis sie denken, es sei ein günstiger Zeitpunkt in |195| Sicht. Bei Arbeitskonflikten warten die beiden Seiten oft bis wenige Stunden vor Streikbeginn, wobei die Gewerkschafter vor allem darauf vertrauen, dass mit dem Herannahen des festgesetzten Zeitpunkts der Druck auf die Unternehmen zu mehr Nachgiebigkeit führt. Unglücklicherweise ist das aber oft eine Fehleinschätzung. Der Termin verstreicht und der Streik beginnt. Hat er aber eingesetzt, so wird nun die Unternehmerseite einen für sie günstigen Zeitpunkt abwarten, etwa wenn die Streikkassen leer sind. Das Warten auf den »günstigen Augenblick« kann sehr teuer werden.
    Natürlich müssen Sie auch hier die Taktik einsehbar machen und darüber verhandeln. Außerdem sollten Sie aber auch der Gegenseite zeigen, dass deren Chancen schwinden. Nehmen wir an, Sie vertreten eine Gesellschaft bei Fusionsverhandlungen mit einer anderen. Beginnen Sie im Falle der Verzögerungstaktik Gespräche mit einer dritten Gesellschaft und erkunden Sie die Möglichkeiten einer Fusion mit dieser. Suchen Sie nach objektiven Bedingungen für die Festsetzung von Fristen und Stichtagen, etwa die jährlichen Steuertermine, die Jahresversammlung des Unternehmerverbandes, das Auslaufen von Verträgen, das Ende einer Legislaturperiode.
     
    »Nehmen Sie an oder lassen
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