Das Harvard-Konzept
Sie’s bleiben« Es ist nicht unredlich, die Gegenseite mit einem Katalog festgelegter Wahlmöglichkeiten zu konfrontieren. Tatsächlich verlaufen die meisten Geschäfte so. Wenn Sie im Supermarkt Butter für 2,50 Euro sehen, werden Sie kaum mit dem Geschäftsführer feilschen wollen. Solche Geschäfte laufen effizient, aber mit Verhandlungen haben sie nichts zu tun. Es gibt dabei keinen interaktiven Entscheidungsprozess. Es ist auch durchaus legitim, wenn man nach langen Verhandlungen mit der Formel abschließt: »Nehmen Sie an oder lassen Sie’s bleiben:«, wenngleich man dies sicherlich höflicher formulieren sollte. Wollen Sie diese Taktik nicht ausdrücklich anerkennen, so tun Sie zuerst am besten so, als hätten Sie nichts gehört. Wechseln Sie den Gesprächsstoff, bringen Sie möglicherweise andere Lösungen vor.
Wenn Sie das Ganze zum Thema machen, zeigen Sie der Gegenseite, |196| was diese zu verlieren hat, wenn es zu keiner Übereinkunft kommt, und halten Sie nach einem Weg Ausschau, der sie das Gesicht wahren lässt – etwa die Veränderung der Rahmenbedingungen. Wenn der Unternehmer zum Beispiel 3,5 Prozent Lohnerhöhung als »äußerste Grenze« angeboten hat, könnte die Gewerkschaft erwidern: »Ihr letztes Angebot wurde ja gemacht, ehe wir unseren gemeinsamen Ansatz zur Verbesserung der Arbeitsproduktivität vorgestellt hatten.«
Lassen Sie sich nicht zum Opfer machen
Oft lässt sich nicht genau klären, was es bedeutet, »in gutem Glauben« zu verhandeln. Es gibt da Unterschiede in der Bewertung. Fragen Sie sich deshalb etwa: Käme ich bei einem solchen Ansatz wohl mit einem Freund oder einem Familienmitglied zurande? Wäre ein solches Handeln in der Literatur einem Helden oder einem Schurken angemessen? Wenn alles, was ich gesagt habe, in der Zeitung stünde, käme ich da in Verlegenheit? Solche Fragen sollen Sie nicht etwa durch Dritte beantworten lassen, sondern Sie sollten Ihre eigenen inneren Wertvorstellungen klären. Sie müssen am Ende selbst entscheiden, ob Sie Taktiken anwenden wollen, die Sie selbst als Unrecht empfinden und die Ihnen als Vertrauensbruch erscheinen würden, wenn man sie gegen Sie verwenden würde.
Es ist sicherlich nützlich, wenn man bei Verhandlungsbeginn sagt: »Sehen Sie, ich weiß sehr gut, dass das unüblich ist, aber ich würde gerne die Spielregeln für unser Tun kennen. Wollen wir beide ein vernünftiges Übereinkommen so schnell und mit so geringem Aufwand wie möglich erreichen? Oder wollen wir hart darum feilschen, dass der Eigensinnigere von uns gewinnt?« Was immer Sie auch machen – schützen Sie sich gegen Tricks. Sie können immer mindestens so stark sein wie die Gegenseite – sogar stärker. Denn es ist immer leichter, Prinzipien und Sachgehalte zu verteidigen als zweifelhafte Winkelzüge.
|197| Drei Punkte zum Schluss
1. Sie wussten das doch schon immer
In diesem Buch steht nichts, was Sie nicht schon mehr oder weniger aus eigenem Erleben wussten. Wir wollten hier weit verbreitete Erfahrungen und das allgemeine Empfinden so organisieren, dass ein brauchbarer Handlungs- und Denkrahmen dabei herauskam. Je mehr sich diese Vorstellungen mit Ihren Kenntnissen und Ihrer Intuition decken, um so besser. Wir haben diese Methode gewieften Anwälten und erfahrenen Geschäftsleuten vermittelt, und diese haben uns gesagt: »Jetzt wird mir erst richtig klar, was ich immer getan habe, und warum das alles funktioniert hat«, und: »Ich weiß, dass das, was Sie sagen, richtig ist, weil es mir irgendwie schon bewusst war.«
2. Lernen durch Erfahrung
Ein Buch kann Sie stets nur in eine gewisse erfolgversprechende Richtung lenken. Indem es Ihnen Ihre eigenen Ideen und Ihr Tun bewusst macht, kann es Ihr Lernen unterstützen.
Aber niemand außer Ihnen selbst kann Sie zum Experten machen. Wenn Sie ein Buch über Aerobic oder Fitness-Training lesen, sind Sie noch lange nicht fit. Und wenn Sie etwas über Tennis, Schwimmen, Fahrrad fahren oder Reiten lesen, werden Sie noch lange kein Meister darin. Beim Verhandeln ist das nicht anders.
|198| 3. »Siegen«
1964 spielten ein amerikanischer Vater und sein zwölfjähriger Sohn im Londoner Hyde-Park Frisbee. In England war das damals noch ziemlich unbekannt, und eine Anzahl von Spaziergängern schauten der Sache zu. Dann trat ein Engländer mit einem klassischen Homburg auf dem Kopf an die beiden heran und fragte den Vater: »Tut mir leid, wenn ich störe. Ich habe Ihnen eine Viertelstunde zugesehen. Wer von Ihnen
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