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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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war ein bedrohlicher Anblick in seinem Kettenpanzer, mit dem Helm auf dem Kopf und dem blanken Schwert in der Hand. Und seine Miene war grimmig. Die Lachfalten in seinem wettergegerbten Gesicht erweckten sonst meist die Illusion von Gutmütigkeit, aber nicht so heute. Er hob langsam den Arm und wies mit der Klinge auf seine rund zweihundert Gefangenen. »Die Daleminzer haben mir vor zehn Jahren zum ersten Mal Treue geschworen. Statt ihren Schwur zu halten, haben sie die gottlosen Ungarn gegen mich zu Hilfe geholt. Also bin ich zurückgekommen und habe sie wieder unterworfen. Doch sie wurden erneut eidbrüchig. Und nun ein drittes Mal. Es wird sich als das letzte Mal erweisen. Verstehst du, was ich dir sage?«
    Tugomir konnte nicht antworten. Er konnte nicht einmal richtig atmen. Die Luft stockte, als sei irgendetwas in seiner Brust blockiert. Dann ging es plötzlich wieder, und er fuhr auf dem Absatz herum, öffnete den Mund zu einem Warnruf oder einem Schrei lichterloher Panik – er wusste es nicht. Aber was immer es war, er brachte es nie heraus, denn Udo hatte ihn wieder von hinten gepackt und drückte ihm die Kehle zu.
    König Heinrich nickte einem seiner Kommandanten zu. »Macht euch ans Werk, Gero.«
    Der Grafensohn verneigte sich vor dem König, winkte seine Männer herbei und erteilte mit gedämpfter Stimme ein paar Befehle.
    Rötliche Punkte pulsierten vor Tugomirs Augen, weil er jetzt überhaupt keine Luft mehr bekam. Trotzdem sah er, wie die Sachsen die Schwerter zogen, auf die Gruppe der Gefangenen zugingen und die ersten, die sie erreichten, mit exakt platzierten Stößen oder Streichen niedermachten. Die Wachen, die einen Ring um die Todgeweihten bildeten, verhinderten, dass diese auseinanderstoben.
    Die Frauen und Kinder begannen zu weinen und zu schreien, als sie sahen, was mit ihren Vätern, Ehemännern und Brüdern geschah. Systematisch arbeiteten Geros Schlächter sich von vorne nach hinten durch die Gruppe. Manche der Daleminzer hoben in ihrer Todesangst die gefesselten Hände, um die niederfahrenden Schwerter abzuwehren, doch die meisten folgten dem Beispiel ihrer beiden Priester, standen reglos wie Findlinge, blickten ihren Mördern scheinbar gleichmütig entgegen und verfluchten sie mit ihrem letzten Atemzug.
    Udo ließ von Tugomir ab und schloss sich den Schlächtern an. Der junge Hevellerprinz lag keuchend und hustend im Schlamm auf den Knien und hörte Gero befehlen: »Jetzt trennt die Frauen von den Kindern.«
    Die blutigen Schwerter in Händen, marschierten seine Männer in geschlossener Linie zu der zweiten Gruppe Gefangener hinüber und begannen, den Müttern ihre Söhne und Töchter von der Hand oder aus den Armen zu reißen. Das Wehklagen schwoll zu einem Geschrei blanken Entsetzens, das Tugomir in den Ohren gellte. Er stand langsam auf, aber er war nicht sicher, ob er sich auf den Beinen halten konnte. Es kam ihm vor, als wären sie nicht aus Fleisch und Knochen, sondern aus Wasser gemacht. Wer wird es sein? , fragte er sich. Die Frauen oder die Kinder?
    Die Soldaten warfen die Säuglinge den größeren Kindern zu, die die meisten auffingen, aber nicht alle, denn sie waren zu starr vor Schrecken, nicht wenige hysterisch, und sie bewegten sich langsam. Gero packte die erste der Frauen – die selbst noch nicht lange dem Kindesalter entwachsen war – bei den Haaren und schnitt ihr die Kehle durch. Sie fiel in sich zusammen und lag wie ein Haufen nasser Lumpen auf der Erde, während der Kommandant und seine Männer ihr blutiges Werk fortsetzten. Als die Frauen begriffen, dass sie ihren Männern folgen sollten, wurden manche von ihnen ganz ruhig, schlossen ihre Nachbarin in die Arme und versuchten, ihr Trost zu spenden. Andere keiften und bespuckten ihre Mörder, wieder andere versuchten sich loszureißen und streckten die Arme nach den Kindern aus, die man ihnen weggenommen hatte. Ihr Geschrei klang wie das Heulen der Windsbräute, aber es wurde leiser, je weiter die Schlächter vorankamen. Sie taten es bedächtig und mit verengten Augen, weder widerwillig noch beflissen, sondern mit Gleichgültigkeit. Ihre Stiefel waren bis zu den Knöcheln rot verfärbt vom blutigen Schlamm, ihre Schwerter bis zum Heft besudelt.
    Schließlich hörte man bloß noch das Weinen der Kinder, das seltsam matt und gedämpft klang. Nur einige Säuglinge brüllten aus voller Kehle. Diejenigen, die verstanden, was sie gesehen hatten, standen unter Schock.
    Gero trat zu seinem König und legte die Faust mit

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