Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
seine Stimme unangenehm schrill in der angespannten Stille.
Die königlichen Truppen hatten sich aufgeteilt und ritten in entgegengesetzte Richtungen um den Fischteich herum. Vielleicht noch hundert Schritte von dem ungeordneten, riesigen Heerhaufen entfernt, galoppierten sie an, ihre Linien zogen sich auseinander, und exakt im selben Moment stießen die Panzerreiter in die Flanken ihrer Feinde.
Wurflanzen und Pfeile flogen, Panzerreiter stürzten getroffen aus dem Sattel, die reiterlosen Pferde gerieten in Angst und machten kehrt, sodass sie den nachfolgenden in die Quere kamen. Doch die dezimierten Panzerreiter brachten sich unbeirrt in Keilformation und stießen wie Lanzenspitzen in die feindlichen Reihen.
Das Heer der Lothringer begann nach links und dann nach rechts zu wogen wie die Wellen auf einem See an einem windigen Tag. Sie prallten gegeneinander, als versuchten sie, widersprüchliche Befehle zu befolgen, und die Panzerreiter setzten ihren Flanken so schwer zu, dass die Lothringer immer weiter zur Mitte drängten, wo es so eng wurde, dass sie anfingen, übereinanderzufallen.
Wieder gingen Pfeilhagel auf beide Abteilungen von Ottos Männern nieder, wieder wurden sie ausgedünnt, aber Pferde und Reiter waren so hervorragend geschult, dass der todbringende Keil, den sie bildeten, niemals kleiner zu werden schien.
Immer größer wurde die Unordnung unter den Lothringern. Niemand schien sie mehr zu führen, und Tugomir kam die Frage in den Sinn, ob Giselbert und Henning vielleicht gefallen waren. Oder davongekrochen.
Und dann geschah das Wunder.
Erst vereinzelt, geradezu verstohlen machten die Lothringer kehrt. Dann waren es ganze Scharen, die geduckt bis zum Rand des Waldes liefen, aus dem sie so siegesgewiss hervorgebrochen waren, und verschwanden. Und schließlich wurde ihr Rückzug ein Dammbruch. Allesamt kehrten sie den heranpreschenden Reitern den Rücken, warfen die Waffen von sich und rannten um ihr Leben. Nicht wenige rannten vergebens, denn die königlichen Truppen machten jeden nieder, den sie einholten. Doch waren sie klug genug, den Flüchtenden nicht in den Wald zu folgen.
Als das ganze stolze Heer der Lothringer verschwunden war, als hätte Ottos Gott es mit einer beiläufigen Handbewegung vom Angesicht der Erde gefegt, kehrten die Panzerreiter dem Waldrand den Rücken, ritten wieder in zwei Gruppen um den Fischteich herum, formierten sich am Ufer des Rheins zu einer perfekten Linie und legten die rechte Faust auf die linke Brust, um ihren König zu grüßen.
Langsam wie ein Traumwandler ging Tugomir die drei oder vier Schritte, die ihn von Widukind trennten, und sank neben ihm auf die Knie. Auch das tat er langsam, fast, als seien seine Knie unwillig, seinem Befehl zu folgen und sich zu beugen. Denn das hatten sie noch niemals getan. Vor den Göttern, denen er früher gedient hatte, kniete man nicht nieder. Aber wer waren sie schon, diese alten Götter? Keiner von ihnen hätte je vollbringen können, was der Buchgott heute für Otto getan hatte.
Er ist mächtiger und gnädiger und wahrhaftiger als deine Götter , hatte Bruder Waldered gesagt. Und Tugomir hatte erwidert: Das müsste er mir erst einmal beweisen, eh ich es glauben kann .
Nun, das hatte er getan, dieser Gott der Christen. Und Tugomir war Priester genug, um ein göttliches Zeichen zu erkennen und zu deuten: Otto hatte seinen Gott um ein Wunder angefleht, und ein Wunder hatte er bekommen. Weil es stimmte, was alle immer behauptet hatten: Dieser König war der Auserwählte seines Gottes.
Das Funkeln auf den Wellenkämmen des Rheins war mit einem Mal seltsam grell, und Tugomir blinzelte wütend, aber es nützte nichts. Tränen rannen ihm über die Wangen, als er begriff, was all das für die Zukunft seines Volkes bedeutete. Er senkte den Kopf und kniff die Augen zu, und so sah er nicht, dass Widukind aufgestanden war, spürte nur plötzlich eine Hand auf der Schulter. Ohne aufzusehen sagte er: »Bring mir bei, wie ich zu ihm sprechen muss, Widukind.«
»Ich bringe dir alles über ihn bei, was du wissen willst«, versprach der Priester leise.
»Du hattest recht. Ich wollte das nie glauben, aber jetzt bleibt mir nichts anderes mehr übrig. Schau, und du wirst sehen, sagt meine Vila. Und ich … habe die Hand eures Gottes gesehen.«
»Wieso bist du so erschüttert?«
Endlich blickte Tugomir auf. »Weil es bedeutet, mein Volk muss das Gleiche tun wie dein Volk damals. Wir müssen uns zu eurem Gott bekennen oder untergehen.
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