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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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es gefälligst in die Hand und führe es für mich. Es sei denn, du glaubst, den Slawen erginge es mit König Henning besser als mit König Otto .
    Vermutlich führen die Slawen mit König Henning tatsächlich besser, hatte Tugomir gedacht, denn Henning gäbe einen schwachen König ab, dessen Joch leichter abzuschütteln wäre. Aber dennoch hatte Tugomir Schwert und Dolch geschärft und in das dampfende Blut des Schafes getaucht, das er Jarovit geopfert hatte, um Ottos Kriegsglück zu stärken. In Wahrheit hatte es nie eine Wahl gegeben. Trotz all des Zorns und des Unverständnisses, die oft eine Kluft zwischen ihnen aufrissen, hatten die Götter sie auf sonderbare Weise aneinandergekettet. In der Nacht, da Tugomir Otto das Leben gerettet hatte, war das erste Glied dieser Kette geschmiedet worden. Ihre gemeinsame Trauer um Thankmar bildete ein weiteres. Dragomira band sie ebenso aneinander, und das stärkste Glied der Kette war die Tatsache, dass Ottos erstgeborener Sohn Tugomirs Neffe war. Es mochte ihm nicht gefallen. Er konnte rebellieren und versuchen, die Kette zu sprengen, aber es war sinnlos, denn ihre Glieder waren stark.
    Also stand er nun hier, und als er den ersten Blick auf den Rhein erhascht hatte, war er beinah froh, dass er der kindischen Anwandlung widerstanden hatte, Otto zu trotzen und sich lieber wieder einkerkern zu lassen, als mit ihm zu ziehen. Tugomir war an den Ufern der Havel aufgewachsen, und darum hatte er geglaubt, die Elbe sei ein großer Fluss, als er sie zum ersten Mal erblickte. Aber sie war ein Bächlein im Vergleich zu diesem gewaltigen Strom, der erhaben durch sein breites Bett floss, seine mitternachtsblauen Wellen von kleinen weißen Kämmen gekrönt, die im Licht der Frühlingssonne wie Juwelen funkelten. Die Schönheit dieses Anblicks hatte Tugomir ebenso den Atem verschlagen wie die Macht des Zaubers, der über diesem Strom lag. Es mussten wahrhaftig die Fürsten der Flussgeister sein, die diesem Wasser innewohnten.
    Der Rhein durchschnitt ein weites Flachland, das auf dieser Seite dicht bewaldet war. Am anderen Ufer lag indessen ein Dorf, und nachdem die Flößer und Fischer, die es bewohnten, einmal begriffen hatten, dass es ihr leibhaftiger König war, der über den Fluss wollte, hatten sie alles an Booten und Kähnen herübergebracht, was sie hatten. Die meisten dieser Gefährte waren aber zu klein, um mehr als drei Panzerreiter aufzunehmen, und so dauerte es über eine Stunde, auch nur die ersten zehn Dutzend von ihnen herüberzuschaffen. Und dann war selbst diese mühselige und langsame Flussüberquerung zum Erliegen gekommen, weil die Bootsführer plötzlich nicht mehr herübergerudert waren, sondern ihre Boote am anderen Ufer vertäut und sich in Luft aufgelöst hatten.
    »Was hat das zu bedeuten?«, hatte Widukind verdutzt gefragt, der zum ersten Mal in seinem Leben auf einem Feldzug war.
    »Nichts Gutes«, hatte Tugomir grimmig geantwortet, und er hatte sich nicht getäuscht.
    Die gut hundert königlichen Panzerreiter am anderen Ufer hatten sich noch nicht formiert, als aus dem Wald jenseits des Dorfes eine langgezogene Reihe Reiter mit Feldzeichen zum Vorschein kam, gefolgt von Fußsoldaten in unordentlichen Knäueln.
    Ein seltsam gedämpfter Aufschrei des Entsetzens, wie ein Stöhnen aus tausend Kehlen ging durch die Reihen der königlichen Truppen am diesseitigen Ufer.
    »Giselbert und Henning …«, flüsterte Widukind erschüttert.
    Der Strom von Feinden dort drüben versiegte nicht. Wer immer gesagt hatte, Giselbert habe eine große Truppe aufgeboten, hatte nicht übertrieben. Und nun saßen Otto und die Seinen hier auf der falschen Rheinseite fest und konnten nichts anderes tun als mit ansehen, wie die Panzerreiter niedergemetzelt wurden.
    »Agila, du warst schon einmal hier mit Prinz Henning, richtig?«, fragte der König. Es klang ruhig, aber die heisere Stimme verriet sein Entsetzen.
    Der abgesetzte Kommandant von Dortmund sprang aus dem Sattel und verneigte sich beflissen vor ihm. »Ja, mein König.«
    »Wie tief ist der Fluss? Können die Pferde hindurchwaten oder -schwimmen?«
    »Nie und nimmer«, antwortete Agila und erweckte zumindest glaubhaft den Anschein, als bedaure er, was er zu sagen hatte. »Der Rhein ist tief, die Strömung tückisch.«
    »Gibt es irgendwo in der Nähe eine Furt oder eine andere Möglichkeit, hinüberzugelangen?«
    »Ein Stück nördlich von hier gibt es ein Städtchen namens Xanten, dort könnten wir gewiss Boote oder sogar

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