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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Schiffe finden, aber …« wir kämen niemals rechtzeitig, um sie zu retten, ließ er unausgesprochen.
    Der König sah auf ihn hinab und nickte, scheinbar versonnen. »Wenn ich herausfinde, dass du die Unwahrheit gesagt hast, werde ich dir mit eigener Hand die Zunge herausschneiden, ehe ich dich aufhänge.«
    Tugomir sah Widukinds verwundertes Blinzeln. So hörte man Otto sonst niemals reden.
    »Ich schwöre bei Gott, mein König …«, begann Agila zu beteuern.
    »Er sagt die Wahrheit«, fiel Gottfried, einer der Panzerreiter, ihm ins Wort. »Ich kenne diese Gegend, mein Vater war Kastellan in Xanten. Wir können nicht hinüber.« Es war unübersehbar, dass er um Haltung rang, und schließlich senkte er den Kopf und bekreuzigte sich.
    Die königlichen Soldaten am anderen Ufer gerieten in Panik, als sie sahen, welch feindliche Übermacht aus dem Wald hervorbrach, und sie liefen durcheinander wie Ameisen. Tugomir sah Pferde steigen und durchgehen, aber er hörte kein Wiehern. Sie hörten überhaupt nichts – es war einfach zu weit weg. Und die Lautlosigkeit, mit der das Schicksal am anderen Rheinufer seinen Lauf nahm, machte es nur noch schrecklicher.
    »Gottfried, reite nach Xanten und bring so viele Schiffe und Boote hierher, wie du kannst. Beeil dich.«
    »Ja, mein König.« Gottfried wendete sein Pferd, winkte zwei Männer zu sich, und im nächsten Moment preschten sie in nördlicher Richtung davon.
    »Vater Widukind, sei so gut, bring mir die Lanze«, bat Otto.
    Was in aller Welt soll ihm eine Lanze nützen, fragte sich Tugomir verwirrt. Will er sie über den Fluss schleudern in der Hoffnung, dass sie seinen Bruder erwischt?
    Ottos Cousin stieg aus dem Sattel, ging zu seinem Packpferd und nahm ein langes, schmales Bündel von seinem Rücken.
    »Prinz Tugomir, würdest du mir helfen?«
    Der Hevellerprinz saß ab, und Widukind legte ihm das Bündel in die Arme. Behutsam begann er, es auszuwickeln. Unter der Hülle aus rissigem Leder kam eine zweite zum Vorschein, die aus edelstem, reich besticktem weinroten Tuch gefertigt war. Der Priester schlug sie auf, so vorsichtig, als enthalte sie einen Säugling. Auch er war bleich, aber zu dem Schrecken in seinem Ausdruck mischte sich etwas wie Ehrfurcht oder gar Verzückung. Was er schließlich zutage förderte, war eine eiserne, mäßig geschmiedete Lanzenspitze mit zwei seitlichen Klingen und einem eigentümlichen Kreuz auf dem Grat. Sie mündete in einen Holzschaft, der so morsch aussah, dass Tugomir sicher war, er werde zerbröckeln, sobald eine Faust ihn umschloss. Eine ziemlich jämmerliche Waffe, doch der König sprang vom Pferd, nahm sie in beide Hände, hielt sie in die Höhe und sank zum Erstaunen seiner Armee im Ufergras auf die Knie.
    »Gott, Schöpfer und Lenker aller Dinge!«, rief Otto mit klarer Stimme, das Gesicht zum wolkenlosen Himmel emporgehoben. »Sieh hinab auf dein Volk, an dessen Spitze du mich gestellt hast. Entreiße es seinen Feinden, auf dass alle Völker erkennen, dass gegen deinen Willen kein Sterblicher etwas vermag. Denn du bist allmächtig und lebst und herrschst in Ewigkeit. Amen.« Er küsste die Lanze und ließ sie dann sinken, während er mit verengten Augen über den Fluss schaute. Er machte keinerlei Anstalten, wieder aufzustehen, und schließlich trat Widukind zu ihm und kniete an seiner Seite nieder. Zwei oder drei der berittenen Soldaten saßen ab und folgten seinem Beispiel, dann ein Dutzend, dann noch eines, bis es schließlich an die fünfzig gerüstete Krieger waren, die sich vor Ottos Gott niedergeworfen hatten und stumm seinen Beistand erflehten.
    Das könnt ihr euch ebenso gut sparen, dachte Tugomir und schaute wie alle anderen zum westlichen Ufer. Es mussten an die zweitausend Mann sein, die Henning und Giselbert hierhergeführt hatten, um den königlichen Truppen beim Überqueren des Flusses aufzulauern. Das war eine Übermacht von zwanzig zu eins. Kein Gott konnte Ottos Männer retten.
    Die hatten ihre anfängliche Verwirrung inzwischen überwunden, hatten sich darauf besonnen, dass sie königliche Panzerreiter waren, und sich formiert.
    Ein länglicher Fischteich lag zwischen ihnen und Hennings Truppe und bot ihnen ein wenig Aufschub, denn offenbar war er zu tief oder zu sumpfig, um ihn zu durchwaten, und für ein paar Atemzüge geriet der Vormarsch der Lothringer ins Stocken.
    Das klägliche Häuflein Panzerreiter setzte sich mit einem Mal in Bewegung.
    »Aber … aber was tun sie denn?«, stieß Agila hervor,

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